Gutzeit, Reinhart von / Christian Höppner / Ulrich Rademacher

Spielräume der Zukunft …

Erbe, Vielfalt und Zukunft der deutschen Musikschulen

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2015 , Seite 16

Reinhart von Gutzeit, Ehren­vorsitzen­der des Verbands deutscher Musik­schulen (VdM), Christian Höppner, Generalsekretär des Deutschen Musikrats, und Ulrich Rademacher, Bundesvorsitzender des VdM, im Gespräch über die Bedeutung des Mottos des diesjährigen Musikschul­kongresses.

Reinhart von Gutzeit: Lieber Ulrich Rademacher, das Motto des Musikschulkongresses 2015 verknüpft ein anregend buchstabiertes „MusikLeben“ mit den drei Begriffen „Erbe“, „Vielfalt“ und „Zukunft“ und damit tendenziell der gesamten Palette musikalischer Erscheinungsformen in aller Welt und zu allen Zeiten – sogar über die Gegenwart hinaus gedacht. Ein anspruchsvolles Unterfangen, aber der VdM hat mit guten Gründen das Thema so weit gespannt…

Ulrich Rademacher: „MusikLeben – Erbe. Vielfalt. Zukunft“ ist das erste Musikschultagsmotto seit Langem, in dem das Wort „Musikschule“ nicht vorkommt. Braucht es aber auch nicht, trifft das Motto doch mitten in unser Energie-, Motivations- und Aktionszentrum: Musik ist Leben, schafft Leben, ermöglicht Leben. Wir leben von und für Musik. Wir ermöglichen es Menschen aller Altersgruppen und sozialen Schichten, unser musikalisches Erbe jeden Tag zu neuem Leben zu erwecken. Wir schaffen Erlebnisräume, in denen kulturelle Vielfalt als Reichtum genossen werden kann, und gestalten so eine offene, soziale, humane und kreative Zukunft unserer Gesellschaft. Ich bin davon überzeugt, dass das alles letztlich eine Aufgabe ist. Auch, wenn wir uns in den Musikschulen die einzelnen Aspekte vernünftigerweise aufteilen. Aber ohne Hierarchie, ohne Ranking in wichtig und weniger wichtig. Schön wäre es, wenn wir es schaffen würden, Parallelwelten von Früherziehern, „JuMu’s“, „Jeki’s“, „Ethno’s“, „Inklusie’s“, „Ensemblie’s“ etc. zu vermeiden.

Reinhart von Gutzeit: Lieber Christian Höppner, so wie wir dich aus vielen Verlautbarungen kennen, muss die Themenstellung dir sehr entgegenkommen…

Christian Höppner: Sie ist das erfreuliche Ergebnis einer engen Zusammenarbeit zwischen dem Deutschen Musikrat und seinem Mitglied Verband deutscher Musikschulen; aber vor allem ist das Motto einer bedeutenden gesellschaftspolitischen – und damit auch musikpolitischen – Herausforderung geschuldet. Die Bereitschaft, kulturelle Vielfalt als einen eigenständigen Wert wahrzunehmen und in Beziehung zu der Vielfalt der Kulturen in unserem Land zu setzen, ist ja noch immer ziemlich unterentwickelt.

Reinhart von Gutzeit: Wenn ich mir die täglich auf unseren Schreibtischen eintrudelnden Einladungen zu künstlerischen Veranstaltungen der unterschiedlichsten Art vor Augen führe, ergibt sich aber das Bild eines Musiklebens von beeindruckender kultureller Vielfalt…

Christian Höppner: Aber gerade wir Deutschen sind Großmeister im Schubladenbepacken: Für jede kulturelle Ausdrucksform finden wir eine Schublade und berücksichtigen dabei kaum, dass die Abertausende von Schubladen in dem reich gefüllten Schrank Kulturelle Vielfalt alle miteinander in Beziehung stehen. Und so steht der Begriff Kulturelle Vielfalt ebenso für Unterschiedlichkeiten wie für Berührungspunkte bis hin zu Gemeinsamkeiten. Diese Transkulturalität spiegelt sich tatsächlich täglich in der Begegnung und Weiterentwicklung kultureller Ausdrucksformen wider. Das hat allerdings mit Multi-Kulti, was aus meiner Sicht nur als politisches Schlagwort existiert und nicht kulturelle Begegnungsprozesse beschreibt, oder einem Crossover-Mischmasch rein gar nichts zu tun.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2015.