Naumann, Sigrid

Spielräume – Spielregeln

Leichte Klavierstücke aus vier Jahrhunderten. Entdecken – Erforschen – Erspielen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2015
erschienen in: üben & musizieren 4/2016 , Seite 54

Immer wieder ist die Forderung zu hören, dass im Instrumentalunterricht auch grundlegende musiktheoretische Kenntnisse vermittelt werden sollen. Dieser unstrittige Anspruch bleibt jedoch in der Praxis oft aufgrund unzureichender Bedingungen hinter den Erwartungen zurück. Dies gilt selbstverständlich auch für den Klavierunterricht, obwohl dieses Instrument doch die besten Voraussetzungen bietet, diesem Anspruch gerecht zu werden.
Mit Sigrid Naumanns didaktischer Konzeption liegt nun eine gelungene Verbindung von Literaturspiel, musiktheoretischer Ein­führung und Anregung zur Improvisation vor. Die themenbezogenen Kapitel sind im Schwierigkeitsgrad sehr unterschiedlich und bieten AnfängerInnen wie auch Fortgeschrittenen Spielstücke und Anregungen zur Begleitung, Variierung und Improvisation sowie musiktheoretische Inhalte. Zwei methodische Möglichkeiten der Einführung werden geboten: Einerseits werden improvisatorische Vorübungen beschrieben, die zum Spielstück hinführen, andererseits Anregungen zur Impro­visation gegeben, die aus dem Spielstück abgeleitet werden. Beide Wege haben zusätzlich den Effekt, dass sie die Notwendigkeit des variantenreichen Übens unterstützen und dies nicht nur mit Hilfe der Modell-Methode, sondern auch durch das unter lernpsychologischen Aspekten sehr effektive entdeckenlassende Lernen.
Zum Einstieg regt das erste Kapitel zum Spiel gleichmäßiger Oktaven mit einer ruhigen Armbewegung an, mit darüber improvisierten viertönigen Melodien. Dem schließt sich ein einfaches Spielstück von Elias Davidsson (Weihnachtsglocken) an, das weitere Möglichkeiten für die Improvisation mit zwei Spielern aufzeigt. In den folgenden Kapiteln wird in ähnlicher Weise auf die Bordunquinte mit anschließender freier Begleitung im Zusammenhang mit Traditionen aus der Volksmusik (Bartók) eingegangen oder auf das Spiel mit Obertönen, Parallelbewegungen (mit Mittelstimme) und der sich anschließenden Einbindung eines zweistimmigen Satzes.
Kapitel 8 thematisiert den intuitiven grifftechnischen Umgang mit Akkordumkehrungen und Lagenwechsel unter Anwendung rhythmischer und melodischer Varianten. Ausgangspunkt ist nicht etwa eine trockene theoretische Erklärung sondern ein Andantino von Ludvig Schytte, das als Spielmuster dient. In ähnlicher Weise werden anschließend Spielvarianten zu einem Prälu­dium von Johann K. F. Fischer vorgestellt und weitere Anregungen zu eigenen Veränderungen von Rhythmus und Melodie skizzenhaft aufgezeigt.
In ähnlicher Weise geht es in Kapitel 9 um Kadenzharmonik mit beispielhaften Kompositionen von Schubert, Beethoven und Mozart. Den Abschluss dieser sehr empfehlenswerten Unterrichtsliteratur bilden schließlich „Moderne Tonsprachen“ mit Beispielen von Bartók und Kurtág.
Romald Fischer