Bossen, Anja

Sprachförderung mit Musik

Ein Themenkatalog praxis­erprobter Lieder, Bewegungsspiele und anderer musikalischer Bausteine

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Die blaue Eule, Essen 2012
erschienen in: üben & musizieren 6/2012 , Seite 57

Sprachförderung und -entwicklung in Kindergarten und Grundschule ist in den vergangenen Jahren in Deutschland zu einem wichtigen bildungspolitischen Schwerpunkt geworden. Große Geldsummen werden hierfür zur Verfügung gestellt und Förderprogramme mit hohem Personalaufwand ins Leben gerufen.
Besonders nahe liegend ist die Verknüpfung von Sprache und Musik, ist doch für beide ein koordinierter Einsatz von Atmung, Klang-, Lautbildung und Syntax grundlegend. Hier setzen auch die Veröffentlichungen von Anja Bossen an, die seit 2010 für die Berliner Senatsverwaltung das Modellprojekt „Sprachförderung mit Musik und Bewegung“ leitet und wissenschaftlich begleitet.
Ihr Buch Sprachförderung mit Musik richtet sich an ErzieherInnen und Grundschullehrkräfte, die mithilfe dieses Themenkatalogs schnell und gezielt Lieder zu verschiedenen Sprachthemen (z. B. Grammatik, Artikel, Phonologie) oder auch Sachthemen (Tiere, Menschen, Berufe etc.) finden können. Da beide Berufsgruppen oft nur über eine sehr rudimentäre musikalische Ausbildung verfügen, finden sie hier eine praxiserprobte Zusammenstellung, die ausschließlich Lieder beinhaltet, die sich auch wirklich für die Sprachförderung eignen. Schön wäre es gewesen, wenn im Vorwort auch die MusikschullehrerInnen angesprochen worden wären, arbeiten sie doch im Rahmen von Kooperationen auch vermehrt auf diesem Gebiet.
Das Buch gliedert sich in vier Teile. Im ersten wird genauestens der Umgang mit dem Buch beschrieben. Besonders lobend zu erwähnen sind hier Kapitel 3, in dem sehr klar die „musikalischen Bausteine“ in Form eines Glossars erläutert werden, und Kapitel 5 mit Qualitätskriterien für die Auswahl der Materialien.  Ansonsten hätte man sich diesen Teil etwas weniger ausführlich gewünscht.
Im zweiten Teil finden sich übersichtlich geordnet die Tabellen zu den Sprach- und Sachthemen, immer mit Altersangabe und detailliert aufgeschlüsselten Unterthemen. Der dritte Teil der Publikation beinhaltet Kommentare zu den alphabetisch angeordneten Materialsammlungen. Hier fällt auf, dass die Kriterien der Beurteilung sehr gut gewählt und übersichtlich sind. Im vierten und letzten Abschnitt sind die Materialsammlungen noch einmal nach ihren Schwerpunkten aufgeführt.
Der Themen­katalog ist eine sehr wichtige und seit Langem überfällige Veröffentlichung, bringt er doch eine qualitativ hochwertige Orientierung in den Materialdschungel. Anspruch auf Vollständigkeit kann er natürlich nicht gewährleisten und müsste angesichts der vielen Neuveröffentlichungen immer wieder aktualisiert werden.
Die zweite Veröffentlichung, Singen Lesen Schreiben, besteht aus einem Lehrerhandbuch mit CD und einem Arbeitsheft für die SchülerInnen. Die Grundinten­tion ist ähnlich der des Themenkatalogs, nämlich SchülerInnen zu ermöglichen, Sprache mit Hilfe von Musik nicht nur auf einem alltagstauglichen, sondern einem „bildungssprachlichen“ Niveau zu erlernen. Hier fehlt leider das Vorwort, aus dem deutlich werden sollte, dass sich diese Bände an Grundschullehrkräfte richten. Dadurch werden die Intentionen von Anja Bosse erst bei genauem Lesen des Grundlagenteils klar.
Auch in diesem Lehrwerk geht es um die Schulung der phonologischen Bewusstheit, des Erfassens der lautsprachlichen Strukturen und des Zerlegens von Wörtern in einzelne Silben. Die Autorin geht davon aus, dass Hörverständnis, Phonetik der Sprache, Artikulation und Grammatik sehr gut an geeigneten Liedern geübt werden können und so auch dem Schriftspracherwerb dienen. Sehr modern ist die Herangehensweise der Autorin, was die sprachlichen Probleme von Kindern mit Migrationshintergrund betrifft. Neueste Ansätze in der Sprachförderung gehen nämlich davon aus, dass oft Strukturen der Muttersprache auf die zu erlernende Zweitsprache übertragen werden und so zu Irritationen beim Sprechen und Schreiben führen. Hierzu gibt es im Grundlagenteil einen nützlichen Link, der eine Übersicht über die Abweichungen verschiedenster Sprachen vom Deutschen bietet. Des Weiteren ist das Lehrwerk flexibel einsetzbar, da den Lehrkräften jeweils zu den einzelnen Themen methodisch-didaktische Hinweise zur Differenzierung der Schwierigkeiten gegeben werden. In Zeiten von altersheterogenem Lernen und Familienklassen ist das sehr hilfreich!
Der zweite Teil des Lehrerbandes umfasst einen Praxisteil, bestehend aus 20 Unterrichtseinheiten: zehn mit Laut- und Buchstabenschwerpunkt, zehn mit grammatischem Schwerpunkt. Die einzelnen Unterrichtseinheiten beinhalten jeweils eine Geschichte, ein Lied, Vorschläge für die Durchführung sowie den Vorschlag eines Ablaufplans. Dazu gibt es sehr schön gestaltete Aufgaben in einem bunten Schülerheft. Die Lieder, Raps und Rhythmicals wurden alle von der Autorin selbst komponiert, wobei hier besonders das sprachliche Geschick auffällt.
Das Hören der CD bereitet leider wenig Freude: Die Sängerin singt teilweise sehr unsauber, die Begleitung ist meist eintönig und wenig natürlich (Synthesizer) und die Lieder sind leider weder rhythmisch noch melodisch vielfältig und transportieren kein differenziertes Bild verschiedener Stimmungen. Positiv hervorzuheben ist die sehr gute Sprachverständlichkeit.
Abgesehen von der CD ist das ein wunderbares, mit viel Aufwand und Liebe zur Sache gestaltetes Lehrwerk, das sich inhaltlich an den Rahmenlehrplänen der Bundesländer für den Deutschunterricht orientiert und für diesen eine große Bereicherung darstellt.
Felicitas Rüdiger