Söllner, Johannes / Stephanie Schupp

SteilvorLage. Ein Stück – eine Lage

Mit 14 groovigen Stücken zum Lagenprofi am Cello, für Violon­cello solo und Klavier, inkl. Audio-Download/für Violoncello solo und Begleitcello

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Holzschuh, Manching 2021
erschienen in: üben & musizieren 6/2022 , Seite 63

„Das ist ja schon kompliziert!“ Stoßseufzer einer (engagierten!) Celloschülerin angesichts ihres tieferen Einstiegs in die Welt der Lagen und vor allem deren Systematisierung. Man kann sie verstehen, wobei vielleicht weniger die „Handhabung“ als vielmehr das Im-Kopf-Sortieren Probleme bereitet. Genau hier setzt diese Neuerscheinung an: pro Stück eine Lage. Selbstverständlich wird am Beginn jedes Stücks die jeweilige Lage und das entsprechende Griffsystem genau benannt und grafisch skizziert. Gleichwohl ist die Herangehensweise spielerisch: Wir setzen die Hand in die gewünschte Posi­tion – und ab die Post!
Ist es so einfach? Verantwortlich für SteilvorLage ist ein Freiburger Team: die Cellistin und Pädagogin Stephanie Schupp und der Komponist, Pianist und Improvisator Johannes Söllner. Ihre 14 Stücke orientieren sich an Genres, die das 20. und 21. Jahrhundert hervorgebracht haben. Es beginnt mit einem „20er-Jahre-Chanson“, es folgen: Slow Bluesrock, Bossa Nova, Reggae, Popsong, Popballade, Klezmer, Blues, Heavy Metal, Swing, Tango, Oriental Groove, Techno, Rock’n Roll. Zugleich klettern wir von der 1/2 Lage (enger Griff) bis zur 4. Lage (weiter Griff), wobei sich einige Stücke in recht „exotischen“ Tonarten bewegen: Des-Dur, Fis-Dur, gis-Moll, f-Moll. In der Strategie, auf diese Weise den Lernenden etwaige Angst vor hoch-kreuzigen oder b-haltigen Tonarten zu nehmen, liegt ein wichtiger Effekt und ein großes Plus der Publikation.
Gemessen an den Ketten, die einem Komponierenden durch die Vorgabe angelegt sind, erscheinen die meisten Melodien und (nicht schwierig zu spielenden) Klavierbegleitungen frisch und inspiriert. Nicht restlos überzeugen konnten mich die Klezmer- und Heavy Metal-Adaptionen (Nr. 7, Nr. 9), umso freundlicher erschienen mir etwa „Unter dem Sand der Wüste“ (Oriental Groove), der „Tango der trockenen Tränen“ und nicht zuletzt das 20er-Jahre-Stück „Und hundert weiße Rosen“.
Folgt man der strengen Regel­auslegung, fehlen sogar einige Lagen: „2. Lage hoch weit“ – thematisiert in „Lady in the sunshine“ (Fis-Dur) – ließe sich auch nach Ges-Dur übertragen und dann befänden wir uns in der „erniedrigten 3. Lage“. Schlicht nicht korrekt hingegen ist, die in „Langfinger“ (Nr. 2) behandelte Lage als „1/2 Lage weit“ zu bezeichnen. Hier handelt es sich um die 1. Lage mit weitem Griff! Ebenfalls irritierend: ein f-Moll-Stück (Nr. 12) als Exempel für „3. Lage hoch weit“. Hier erfolgt die Orientierung beim Spielen doch eindeutig über das Modell 4. Lage mit weitem Griff.
Und ab die Post? Ganz so einfach ist es nicht: Ohne zusätz­liche Fingersatzhilfen sind die Stücke vermutlich nur für sehr Eingeweihte verständlich. Dessen ungeachtet ist SteilvorLage empfehlenswert. Die Richtung stimmt, die Musik ist gut.
Gerhard Anders