Känzig, Eva

sterneraunen

Klavierstücke und Improvisa­tionsanleitungen für Wiedereinsteigerinnen und fortgeschrittene Beginner, insbesondere für Klanganbeter und Mollliebhaberinnen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Certosa, Klein-Winternheim 2015
erschienen in: üben & musizieren 5/2015 , Seite 57

Wen der lange Untertitel abschreckt, der wird etwas verpassen. Die Schweizer Autorin, Dozentin für schulpraktisches Klavierspiel an der Pädagogischen Hochschule Zürich, hat mit sterneraunen ein Unterrichtswerk veröffentlicht, das Spielräume zur Improvisation eröffnet und zum Entdecken musikalischer „Erlebnislandschaften“ einlädt.
Mit viel Fantasie wird der ganze Klangbereich des Klaviers von Beginn an ausgeschöpft. Dazu gibt es ausführliche verbale Anweisungen und Erläuterungen. Einfache musikalische Bausteine dienen als Hilfe auf dem Weg zur Improvisation: „Du bist ganz Ohr und lauschst den Tönen, die entstehen, und deinen Körperempfindungen.“ Dieser innere, kontemplative Ansatz zum Entdecken der Erlebnislandschaften wird mit gut verständlichem und leicht anwendbarem musikalischen Material erreicht: der Andalusischen Kadenz, verschiedenen Ostinati, Bluestonleitern und auch der Ganztonleiter.
In den Beispielstücken wird das jeweils zu erarbeitende musikalische Material kompositorisch eingesetzt. Beispielsweise in erinnerung, das aus einem schlich­ten Dreiton-Ostinato der linken Hand gestaltet ist und der rechten ein freies Melodiespiel ermöglicht. Oder in den Stücken drift und gesicht, in denen die rechte Hand mit verschiedenen Ostinatofiguren einen atmosphärisch dichten Klangteppich erzeugt. Das Stück sterneraunen wird zuerst als harmonischer Extrakt vorgestellt. In diesem wird das ganze Klangspektrum des Instruments ausgeschöpft, wodurch vielfältige, ansprechende Klangfarben entstehen. Der freitonal wirkende ausklang lädt dazu ein, selbst den harmonischen Extrakt des Stücks zu suchen.
Eva Känzig legt in ihrem Unterrichtswerk großen Wert auf das Pedalspiel. Besonders das Klangpedal ist Grundlage fast aller Stücke. Das erzieht Spielerin und Spieler von Beginn an zum Zuhören und zum Klangausgleich der verschiedenen Lagen des Instruments. Die Verwendung der unterschiedlichen Ostinati sorgt zumeist für einen eher meditativen und ruhigen Charakter, der sich auch verdichten kann zu übereinander geschichteten Ostinati, wie beim Charakterbild mündung. Es gibt aber auch Stücke wie z. B. aufbruch, in dem ein brillanter Klangteppich eine Etüde in f-Moll formt.
Alle von Känzig ausgewählten Materialien sind problemlos im Unterricht einsetzbar und können als Bausteine eigenständig weitergeführt werden. Ihr kontemplativ angelegter und zudem äußerst innovativer Ansatz wird besonders Erwachsene (hier passt die Du-Form bei der Anrede eher weniger) und jugendliche SchülerInnen ansprechen.
Christoph J. Keller