Pärt, Arvo

Summa

für acht (oder vier) Violoncelli, Partitur/Stimmensatz

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Universal Edition, Wien 2010
erschienen in: üben & musizieren 1/2013 , Seite 58

Ein Unzeitgemäßer ist Arvo Pärt in mehrfacher Hinsicht. Nicht allein die Sprache seiner Musik steht diametral zu den meisten gängigen Idiomen unserer Zeit. Auch das Moment der Klangfarbe scheint für Pärts Komponieren einen deutlich geringeren Stellenwert zu besitzen als für viele seiner Zeitgenossen. Zumindest spricht die Tatsache, dass zahlreiche seiner Werke in vier, acht, ja bis zu zwölf verschiedenen Instrumentalversionen greifbar sind, nicht unbedingt dafür, dass seine Inspira­tion eng an Klang und Spielweise bestimmter Instrumente gebunden wäre. Vielmehr offenbart seine Musik ein vor-barockes Verständnis dieses Parameters: Ob etwa im 16. Jahrhundert eine Motette vokal oder instrumental aufgeführt wurde, war nicht relevant für ihre musika­lische Aussage. Im Übrigen herrschte Pragmatismus: Die Inst­rumente, die man zur Verfügung hatte, wurden eingesetzt.
Dürfen wir hinter Arvo Pärts Neigung zu musikalischem Recycling ähnliche Motive vermuten? Haben wir die vorliegende Ver­sion von Summa der (keineswegs illegitimen) Zielsetzung zu verdanken, den unterschiedlichen InstrumentalistInnen „Pärt für alle Fälle“ an die Hand geben zu wollen?
Fraglos eignet sich Summa – in seiner frühesten Fassung 1977 komponiert – hervorragend für eine Celloensemble-Version. Der asketisch-„mittelalterliche“ Duktus der Musik, ihr permanentes Changieren zwischen 2-stimmigem und 4-stimmigem Satz, die durch keine Dissonanz getrübte Vertikalität, der Verzicht auf schnelle Notenwerte, schließlich das Fehlen jeglicher dynamischer Angaben, all dies lädt dazu ein, Spielweisen und Quali­täten eines Gambenkonsorts auf das Celloensemble zu übertragen.
Gewiss kommt man Pärts Ästhetik nahe, wenn man seine Linien mit einem Non- (oder allenfalls Poco-) Vibrato-Silberstift nachzieht und auf Farbauftragung weitgehend verzichtet. So gespielt, wird Summa, insbesondere mit Blick auf eine Verwendung im Unterricht, auch zu einer Studie zum Thema Intonation. Die Grundtonart – ein modal eingefärbtes, auf Dominant- und Kadenzschritte gänzlich verzichtendes d-Moll – ermöglicht die häufige Verwendung der leeren D- und A-Saiten sowie der entsprechenden Flageoletttöne. Dies ist jedoch kein Muss, auch „gegriffen“ kommen die ätherischen Klänge sehr schön zu Geltung.
Die SpielerInnen der obersten Stimme müssen die D-A-Daumen-Grundposition und häufig auch den darüber hinausgehenden Schritt d”-f” absolut sicher beherrschen. Die gute Nachricht: Man kann oben bleiben, das heißt alles ist in der Daumenlage spielbar! Zweite und dritte Stimme bewegen sich im Bereich zwischen d und f’, nur die tiefste Stimme lotet den Tonraum bis zum tiefen A aus.
Es wäre vermessen, ein abschließendes ästhetisches Urteil über die Musik Pärts fällen zu wollen. Die vorliegende Version stellt in jedem Fall eine willkommene Bereicherung der Cello­ensemble-Literatur dar.
Gerhard Anders