Swiss Choral Music
für gemischten Chor a cappella, hg. von Johannes Meister und Patrick Secchiari, Chorbuch mit CD
Sie erhält gerade große Beachtung – und das zu Recht: Chormusik aus der Schweiz. Florian Helgath hat erst vor zwei Jahren mit der phänomenalen Zürcher Sing-Akademie die vielbeachtete Produktion Herzblut aufgenommen: ambitionierte Schweizer Chormusik voller eidgenössischem Charme, bei der insbesondere die schillernden Farben des phonetisch äußerst idiomatischen Materials wunderbar zur Geltung kommen. Nur eine logische Konsequenz also, dass die Herausgeber Johannes Meister und Patrick Secchiari mit Swiss Choral Music diesen Flow aufnehmen und nun ein beeindruckendes Repertoire an Schweizer Chormusik im renommierten Carus-Verlag vorliegt.
In 28 sakralen und profanen A-cappella-Werken entsteht ein aktuelles Bild einer Chor-Szene, die auf vier Sprachen zurückgreifen kann. Wenn man dann noch Latein als offizielle Sprache der katholischen Kirchenmusik und Englisch als weltumspannende Alternative hinzufügt, entsteht ein imposantes Reservoire an phonetischen Klangfarben. Zudem ist es immer noch keine Selbstverständlichkeit: Auch junge, ambitionierte Komponistinnen werden hier vorgestellt. Sara Buchers Où quelque chose se mélange wird als Ergebnis eines Kompositionswettbewerbs hier aufgenommen. Ein fabelhaftes Stück, virtuos und voller vokaler Finesse.
Aber nicht nur junge Komponistinnen werden berücksichtigt, auch die arrivierten großen Namen werden mit eindrucksvollen Werken abgebildet. Heinz Holligers Rosa Loui, ein Zyklus von vier Chorliedern in zehn Versionen, beruht auf Gedichten von Kurt Marti (1921-2017) und stammt von 2006/07. Holliger (geb. 1939) und Marti verbindet der gemeinsame heimatliche Berner Dialekt. Im kurzen vokalen Aphorismus „granium-märit“ (1. Version) entwickelt Holliger eine spielerische Annäherung an die phonetischen Implikationen mundartlicher Silben. Auch Beat Furrer (geb. 1954) ist mit Enigma III vertreten.
Doch nicht nur mit solch hochartifizieller Chorliteratur, die den ambitionierten Vokalensembles vorbehalten bleibt, punktet diese Edition, sondern auch mit relativ einfachen Chorsätzen, die jedem Laienchor stimmlich und technisch offen stehen. So begeistert der vierstimmige Satz des wunderbar eingängigen La sera sper il lag von Gion Casanova (geb. 1938) sicher jedes Laienensemble. Zudem lernt man Stücke kennen, die auch rhythmisch einige Herausforderungen bereithalten. Das einleitende Quasi un incanto von Ivo Antognini (geb. 1963) ist mit einem durchgehenden Rumbarhythmus unterlegt, der sich aber im Vergleich zu den unregelmäßigen Taktwechseln im Sonnet 8 von Antoine Schneider (geb. 1988) dann doch als unproblematisch erweist. Bleibt noch der witzig und harmonisch elaborierte Kanon lippenstift-notiz von Beat Vögele (geb. 1978). Kurz: eine sehr inspirierende und lohnende Edition!
Martin Hoffmann