Rachl, Sabine / Birgitta Schaub / Stephan Schleiner

Tavias Reise

Unterwegs in den Zeitlostraum, Hörbuch/Piano Arrangements/Chor- und Einzelstimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: atp Verlag, Köln 2017
erschienen in: üben & musizieren 6/2018 , Seite 60

Das Thema ist todernst. Das Hör­buch Tavias Reise umfasst eine 200 Seiten starke, 2014 erstmals publizierte Geschichte über ein unheilbar krankes Oktopusmädchen, das diverse Tiere fragt, „wie Sterben geht“. Klinikaufenthalt und Therapiemaßnahmen, Tod und Trauer, Abschied und Erinnerung sind Handlungselemente. Die Geschichte hat mit Tavia, ihren Eltern und ihrem Bru­der zwar Meereslebewesen als Protagonisten, gemeint sind aber sterbenskranke Menschenkinder. Man merkt der genau beobachteten Erzählung an, dass hier eine Fachfrau mit Praxiserfahrung am Werk ist.
Die Autorin Sabine Rachl begleitet sterbende und trauernde Menschen. Ein Schwerpunkt ist laut Booklet die „Musiktherapie in palliativen Kontexten“. Die Texte der 20 Songeinlagen hat sie selbst mit Birgitta Schaub (Chorarrangement) und Stephan Schleiner (Klavierarrangement) in Noten gesetzt. In eingängigem Ton beschreiben die Lieder die Ängste, die Suche nach Antworten, die Trauergefühle, die vergehende Zeit, das Leben mit dem Verlust.
Rachl wählt als Form eine Tiergeschichte, die Erwachsene mit ihren Kindern (ab sechs Jahren) jederzeit lesen können – seien sie nun unmittelbar betroffen oder nicht. Man fragt sich aber, ob ein Ausweichen in eine fabelähnliche Story bei einem so wichtigen und drängenden Thema wie dem Sterben von Kindern nötig ist. Zudem befremdet der Untertitel „Unterwegs in den Zeitlostraum“, weil er etwas esoterisch anmutet. Positiv gewendet bemüht er sich um eine poetische Sprache, die dem Sein im Tode begriffsfrei beikommen will. Gleichwohl bleibt „Zeitlostraum“ eine eher eckige Behelfsvokabel, eine Metapher für das, was sich menschlichem Wissen entzieht.
Im Text heißt es zutreffend, dass Raum und Zeit der „Jetztwelt“, also dem irdischen Leben angehören. Darum sei „Traum“ das bessere Wort für eine andere Wirklichkeit. Der Song beginnt: „Im Meer hinter allen Meeren, im Raum hinter allem Raum, da lebst du in and’ren Sphären, im uralten Zeitlostraum.“ Der Text bemüht notgedrungen doch wieder räumliche und zeitliche Kategorien („hinter“, „uralt“).
Um Missverständnissen vorzubeugen: Tavias Reise ist eine respektable Arbeit, die Betroffenen helfen kann und sich in der Praxis bewährt hat. Sie berührt in der rhythmisch abwechslungs­reichen Musik, die einstimmig und mehrstimmig und nicht nur ein Lamento ist. Auch in der Krankheit gibt es heitere wie tröstliche Momente. Das „Lied der Möwen“ steht im flotten 12/8-Takt. Quirlig-tänzerisch ist das „Lied der Leuchtquallen“, als Swing kommt der „Ältestenrat der Kraken“ daher.
Beim Hörbuch braucht man bei fünfstündiger Dauer einen langen Atem. Beim persönlichen Vorlesen sollte man kürzen. Die Musik eignet sich auch zur Gruppenarbeit mit Sologesang und Kinderchor. Pianistisch geht es mit vollgriffigen Akkorden und bis zu fünf Vorzeichen teilweise anspruchsvoll zu.
Roland Mörchen