Brugger, Andy

The Pocket Drum Teacher

Die Welt zwischen den Schlägen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Leu, Neusäß 2007
erschienen in: üben & musizieren 4/2007 , Seite 60

The Pocket Drum Teacher – das klingt nach einem Universalratgeber mit den wichtigsten Grooves und Licks für den Trommler bei der Bandprobe: Was passt am besten zu diesem oder jenem Stück, wie spiele ich Trip Hop, House oder Jungle richtig? Beim Aufblättern erlebt man eine Überraschung. Eng bedruckte Textseiten, keine einzige Note im ganzen Buch und dann noch ein Hinweis: „Solange kein Bedarf danach besteht, ist dieses Büchlein überflüssig!“
Was will er denn nun, der Pocket Drum Teacher? Ein kritischer Assistent und Diskussionspartner soll er sein, er soll Feedback und Entscheidungshilfen geben beim lernenden Umgang mit dem Instrument. So zumindest wünscht es sich der Autor, der Schlagzeug und Rhythmik an der Musikhochschule in Zürich lehrt, in seinem Vorwort. Neben dem Lehrer oder der Lehrerin und den Schulwerken soll InstrumentalschülerInnen ein neuartiges Medium an die Hand gegeben werden, ein Vademecum zur Klärung genereller Fragen.
Auf lexikonartige Weise wird die Welt schlagzeugrelevanter Themen kenntnisreich aufgefächert, zwischen A wie Atmung und Z wie Zählen finden sich Informationen, Hinweise und Tipps zum Umgang mit Click, Lampenfieber, Sticking, Stress und manch anderem. Besonders interessant ist ein großes Kapitel über das instrumentale Üben. Hier outet sich der Autor kokett als bekennender Lust-Über, er seziert andererseits aber detailliert und gewinnbringend das harte Übe-Brot, indem er sich z. B. intensiv mit Strategien der Fehlervermeidung befasst. Dankenswerterweise bleiben diese Analysen nie auf einer rein technischen Ebene, sondern sind immer auf die künstlerischen Ziele bezogen.
Hier bevorzugt Andy Brugger eindeutig kreative Strategien, die in der Welt des Mainstreams eher unüblich sind: gezielte Regelverstöße in das Spiel mit einzubeziehen, Handsätze gegen den Strich zu bürsten, generell anders als üblich zu spielen – so öffnen sich die Tore zu expressivem und individuellem Spiel. Die Grundhaltung des Autors ist eine kritische, immer wieder regt er dazu an, sich selbst und seine Kunst zu hinterfragen. Hauptkritikpunkt ist ihm immer wieder die Schlagzeugwelt als solche, die in weiten Teilen eher von der Warenwelt der Hochglanz-Drum-Magazine als von künstlerischen Ambitionen geprägt ist. Weit verbreiteter materialfetischistischer Größenwahn und die eindimensionale Technikverliebtheit werden wiederholt aufgespießt und zu Recht gegeißelt.
Sehr ambitionierte Schlagzeuger, die bereits einen guten Überblick über ihr Instrument haben, werden die positiven Provokationen des Autors als solche erkennen und produktiv zu nutzen verstehen. Ihr Spiel wird durch die Auseinandersetzung mit diesem kritischen Kompendium auf eine (noch) höhere Qualitätsstufe gelangen. Arglose AnfängerInnen, an die der Autor gewiss nicht als Zielgruppe gedacht hat, würde dieses Buch hoffnungslos überfordern.
Stephan Froleyks