Naumann, Sigrid (Hg.)
Tonartenbuch
48 originale Klavierstücke – leicht bis mittelschwer
Diese ausgezeichnete Zusammenstellung bekannter und weniger bekannter Klavierstücke richtet sich an KlavierspielerInnen, die schon einige Jahre mit dem Instrument vertraut sind und auf der Suche nach wunderschönen Charakterstücken und Konzertminiaturen. Zu jeder Dur- und Moll-Tonart gibt es jeweils zwei Stücke, bunt und vielfältig gemischt aus Barock, Klassik, Romantik und dem 20. Jahrhundert.
Die erfahrene Klavierpädagogin und Herausgeberin Sigrid Naumann lädt ein, die unterschiedlichen Klanglandschaften der 24 Tonarten zu erkunden und am Klavier zu erleben. Neben den 48 Originalkompositionen gibt es ein instruktives Vorwort und zusätzlich einen ausführlichen Anhang, in welchem die Tastenlandschaften, der Aufbau des Quintenzirkels, Tonleitern, Dreiklänge und Kadenzen behandelt werden. Hier ist von besonderer Bedeutung der kurze Blick in die Musikgeschichte, über die Entstehung der Tonarten, mit repräsentativen Melodien zu den Kirchentonarten.
Einige Komponisten haben zu allen Tonarten Zyklen geschrieben und drei prominente sind mit jeweils einem Präludium vertreten: Bach, Chopin und Skrjabin. Mit der spielfreudigen A-Dur-Etüde von Louise Farrenc und dem klangschönen f-Moll-Präludium von Luise Adolpha Le Beau sind in der Sammlung auch zwei Werke von Komponistinnen mit aufgenommen.
Beim lyrischen Charakterstück Mein Lied in H-Dur und bei der in bewegten Triolen dahineilenden Miniatur in c-Moll kann man die spätromantische Klangwelt Theodor Kirchners entdecken. Neben Beethovens erstem Satz aus der „Mondscheinsonate“ ist als zweites Stück zur Tonart cis-Moll Liszts ausdrucksstarkes Il penseroso vertreten. Beide Kompositionen verlangen eine ausgefeilte Klangtechnik und geben einen guten Einblick in die Unterschiedlichkeit und Vielseitigkeit dieser Tonart.
Einige Charakterminiaturen sind eine wahre Entdeckung klangschöner Raritäten. Ganz besonders ist hier Pensée fugitive von Moritz Moszkowski zu nennen oder auch das d-Moll-Nocturne von John Field. Rhythmisch ansprechend und durchaus humoristisch angehaucht sind die beiden Stücke El fantasma von Enrique Granados und Beim Schmied von Samuel Majkapar. Es gibt auch Kompositionen, welche die Dur-Moll-Tonalität erweitern. So z. B. Gnossienne Nr. 3 von Erik Satie in Richtung modaler Harmonik oder Ulrich Kallmeyers Nemi Lounge in Richtung Jazz-Harmonik.
In dieser hervorragenden Sammlung wird jeder fündig, der sich aus dem Bereich der Mittelstufe ansprechende und zugleich anspruchsvolle Klavierliteratur aneignen möchte. Zudem gibt es vieles zu entdecken und zu lernen, was den Zusammenhang und die Vielseitigkeit der Tonarten betrifft. Das sorgsam edierte Tonartenbuch aus der Pädagogik-Reihe von Breitkopf & Härtel ist absolut empfehlenswert.
Christoph J. Keller