Schubert, Franz

Trockne Blumen

Introduktion und Variationen D 802 (op. post. 160), eingerichtet für Klavier und Violine von Jacqueline Ross nach dem Autograph für Flöte

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Universal Edition, Wien 2016
erschienen in: üben & musizieren 6/2016 , Seite 58

Schuberts Variationen über das Lied Trockne Blumen vom Januar 1824 aus seinem Liederzyklus Die schöne Müllerin zählen zu seinen umstrittenen Arbeiten. Man nahm an, er habe die Variationen für Flöte und Klavier für Ferdinand Bogner geschrieben, der seit 1821 eine Flötenspiel-Professur am Wiener Konservatorium bekleidete, doch ist das nicht zu belegen. Die erste nachweisbare Aufführung spielte der berühmte Franz Doppler 1862, also lange nach Schuberts Tod. Es ist auch nicht zu klären, wie es zur Wahl dieses Liedes als Vorlage für Variationen kam.
Die Klärung dieser Frage wäre jedoch wichtig, weil diese Variationen-Folge und die Techniken der konventionellen Figuralvariation, mit denen das Thema hoch vir­tuos umspielt wird, immer wieder als äußerst fragwürdig empfunden wurden; Alfred Einstein nannte sie sogar ein „Sakrileg“. Der ungemein ergreifende, geradezu tod-traurige Tonfall des Liedes scheint schlechterdings nicht zu solch aufdringlich-virtuosen Variationen zu passen.
Auch der neueren Schubert-Literatur, die mit so vielen Vorurteilen aufräumen konnte, ist es bislang nicht recht gelungen, Verständnis zu fördern; die Qualitäten des Werks werden mehr behauptet als erwiesen. Jedenfalls kann von einer „instrumentalen Überhöhung“ oder gar einer Ausgestaltung von Gefühlslagen kaum die Rede sein.
Jacqueline Ross hat nun, einem Brauch der Zeit folgend, aus der die Komposition stammt, die Flötenstimme für Violine eingerichtet: ebenso spieltechnisch kompetent wie artikulatorisch fantasievoll und so weit als möglich auch historisch-stimmig. Sie vermehrt das eher schmale Schubert-Repertoire für Violine und Klavier, doch mag man zweifeln, ob sich diese ­Fassung ­behaupten kann, weil die ursprüngliche Flöten-Virtuosität in der Violin-Version womöglich noch selbstgefälliger, vielleicht auch unangemessen wirkt, ohne wirklich den musikalischen Ausdruck zu beleben oder zu tragen. Doch die Verwandlung dieser Variationen in aufregende Violinmusik wäre allemal eine sehr lohnende Aufgabe für neugierige, die Herausforderung suchende MusikerInnen. Beste Voraussetzungen hat Jacqueline Ross mit dieser bestechend sorgfältig edierten Ausgabe immerhin geschaffen.
Giselher Schubert