Göbel, Birgit-Christine

Üben nach Plan

Ein Erfahrungsbericht

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 1/2013 , Seite 48

Wohl kaum ein Thema in der Instrumentalpädagogik ist ein solcher Dauerbrenner wie das Üben. Auch in Kollegengesprächen spielt es eine große Rolle. Wie oft ist dann zu hören: “Schüler x übt nicht genügend, das kann ja nichts werden!” Was aber bedeutet “nicht genügend”? Bezieht es sich auf die tägliche Zeit am Instrument in Minuten gerechnet (Quantität), meint es die fehlende Anwendung sinnvoller Übestrategien (Qualität) oder spielen noch andere Faktoren eine Rolle?

Beim Nachdenken über diese Frage erinnere ich mich an meine eigene Biografie als Inst­rumentalschülerin. In der Regel saß ich gern am Klavier und eroberte mit Freude die vielen schönen Stücke, die mein Lehrer für mich ausgesucht hatte. Dennoch erinnere ich mich gerade aus meinen Anfangsjahren an viele Momente der Frustration, in denen mir das, was ich mir vorgenommen hatte, einfach nicht gelingen wollte. Im Unterricht und bei vielen Konzertbesuchen erfuhr ich zwar, wie die Stücke zu klingen hatten, fast nie bekam ich jedoch handwerkliche Tipps an die Hand, die mir den Weg zum gewünschten Klang­ergebnis hätten weisen können. Nach einem Lehrerwechsel änderte sich dieser Zustand zum Besten. Mein neuer Lehrer half mir, meine Klangvorstellungen aufs Instrument zu „transportieren“, er zeigte mir Bewegungsabläufe und vermittelte Vorgehensweisen beim Üben. Darüber war ich unendlich glücklich!
Später beobachtete ich das Übeverhalten meiner Violine spielenden Tochter. Sie war meiner Meinung nach mit einem sehr guten Unterricht, in dem sowohl das Was als auch das Wie vermittelt wurde, und auch durch ­eine sehr regelmäßige Übezeit bestens versorgt. Dennoch kristallisierte sich bei ihr eine andere Schwierigkeit heraus. Diese bestand im organisatorischen Vorgehen beim Üben. Im Anfangsunterricht waren die verschiedenen Aufgaben so vielfältig und umfangreich, dass sie nicht immer alle an jedem Tag be­arbeitet werden konnten. In dieser Zeit entstanden erste Ideen zum Üben nach Plan.
Jeden Abend schrieben wir gemeinsam auf, was am nächsten Tag geübt wird. Welche rhythmischen bzw. Artikulationsvarianten bei den Tonleitern sind morgen an der Reihe, welcher Abschnitt der Etüde erfährt besondere Zuwendung, welche Spielstücke bzw. welche Teile daraus kommen dazu? So verwandelte sich das riesig wirkende Pensum im Hausaufgabenheft in eine überschaubare Menge. Die Übestunde gestaltete sich übersichtlich und strukturiert und mit Freude bemerkten wir, dass der Entschluss, dieselbe zu beginnen, gar nicht mehr so schwer fiel! Innerhalb der Woche konnten so die umfangreichen Aufgaben gleichmäßig bearbeitet werden.
Als Mutter habe ich in der Regel täglich die Möglichkeit, das Übegeschehen meines Kindes zu verfolgen. Als Instrumentallehrerin habe ich die SchülerInnen nur einmal wöchentlich im Unterricht. Was dann zu Hause stattfindet, kann man als Lehrerin nur ver­muten. Im Unterricht bemühe ich mich, die SchülerInnen mit dem bestmöglichen Rüstzeug zur Vorgehensweise beim Üben auszustatten. Dennoch erlebe ich häufig den Widerspruch zwischen der glaubhaften Versicherung von Kindern und Eltern, dass das Üben täglich stattgefunden habe, und dem mäßigen Ergebnis beim nächsten Unterricht. Um diesem Widerspruch auf den Grund zu gehen, ließ ich die Kinder im Unterricht selbstständig üben. Hilfestellung gaben lediglich einige Fragen, die die SchülerInnen für sich beantworten sollten: Was kann ich schon gut? Was möchte ich anders bzw. besser können? Wie komme ich dahin? Wie lerne ich ein neues Stück? Immer wieder stellte ich fest, dass den SchülerInnen viele schon oft besprochene inhaltliche Vorgehensweisen klar waren. Sie konnten diese aber innerhalb der Woche nicht überall gezielt einsetzen, weil sie ihr Üben nicht gut organisieren konnten.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2013.