Summer, Mark
Variations. Lo, How a Rose E’er Blooming
für Violoncello solo, revidierte Fassung
Weihnachten mal ganz anders! Christmas Greetings from California! Mark Summer, Cellist des in San Francisco beheimateten Turtle Island String Quartet und kreativer Vertreter eines fröhlich-undogmatischen Crossover nach Art der West Coast, legt neben seiner erfolgreichen Cellopièce Julie-O (vgl. Rezension in Heft 3/ 2010) ein weiteres Werk für Solocello vor, das in puncto Groove, Witz und zugleich Klangsinnlichkeit Julie-O in nichts nachsteht: Variationen über das jahrhundertealte Weihnachtslied Es ist ein Ros’ entsprungen, das, wie wir hier erfahren, unter dem Titel Lo, how a rose e’er blooming offensichtlich auch im angelsächsischen Sprachraum als Traditional bekannt ist.
Die vorliegende, bei Ponticello erschienene Version präsentiert eine revidierte Fassung des ursprünglich bereits 1997 komponierten Stücks, das im Zuge vieler Aufführungen unter den Händen des Komponisten immer wieder Veränderungen erfahren hat. Nehmen wir uns diesbezüglich Mark Summer zum Vorbild: Als Interpret dieser Variationen sollte man die Fähigkeit besitzen, einen durchaus exakten Notentext präzise und doch zugleich so frei wiederzugeben, dass der Klangeindruck einer Improvisation entsteht.
Zweifellos resultiert ein besonderer Reiz aus dem schier unüberwindlichen Gegensatz zwischen dem stets im Gedächtnis mitschwingenden Praetorius-Satz des Liedes aus dem Jahr 1609 und einer modernen amerikanischen Version für Cello, in der das Instrument zudem gelegentlich Charakterzüge von Gitarre, E-Bass und Woodblock übernimmt. In jedem Fall bereitet dieses Stück immenses Vergnügen, wobei dem Spieler oder der Spielerin einiges an perkussiver Energie abverlangt wird.
Interessanterweise nutzt Summer den Tonraum oberhalb von g’ – also jenseits der 4. Lage – überhaupt nicht. Wer hieraus den Schluss ziehen sollte, das Stück sei leicht spielbar, wird schnell spüren, wo die technischen Herausforderungen liegen: Neben Griffsicherheit zumal im Akkordspiel, Wendigkeit bei Saitenübergängen und beim (traditionellen!) Pizzicato-Spiel sind Spezialtechniken angesagt: Hammer Ons – ein oder mehrere Finger werden kraftvoll auf das Griffbrett aufgesetzt, sodass die Saite durch den Fingeraufschlag zum Klingen gebracht wird –, außerdem das im Notentext durch „T“ angezeigte Anschlagen einer Saite mit dem Daumen der rechten Hand und natürlich das den Bassisten abgelauschte Slapping, entweder rein perkussiv oder auch zur Hervorbringung von Flageolett-Quinten (senza pizz., senza arco!) eingesetzt.
Wie ein liebevoll-ironischer Blick zurück in die Musikgeschichte mutet Variation IV an: Inmitten der groovenden Welt synkopierender Rhythmen ein Durchgang in gleichmäßigen, arpeggierenden Sechzehnteln, wie ihn beinahe sogar Bach hätte schreiben können. Mark Summer ist ein Könner mit Humor! Gern mehr davon!
Gerhard Anders