Igudesman, Aleksey

Violamania

11 Pieces For Solo Viola

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Universal Edition, Wien 2019
erschienen in: üben & musizieren 5/2019 , Seite 68

Aleksey Igudesman ist Violinvirtuose, Schauspieler, Pädagoge, Komiker und vieles mehr. Mit Shows wie „Fasten Seatbelts“ oder „A Little Nightmaremusic“ gelingt es ihm, auf den Spuren von Victor Borge und Hans Liberg Menschen mit klassischer Musik und Crossover zum Lachen zu bringen. Gleichzeitig ist er auch ein ernst zu nehmender Komponist. Seine 11 Stücke für Solo Viola lassen sich vom besonderen Klangcharakter des Ins­truments inspirieren. Sie beziehen wirkungsvoll den Kont­rast zwischen der tiefen Lage auf der C-Saite und dem hohen Klangbereich auf der A-Saite in die musikalische Gestaltung ein.
Doch Igudesman lässt sich auch von Menschen zu dieser Musik inspirieren: von auf der Bratsche spielenden Freunden, denen er jeweils ein Stück gewidmet hat, wie Eszter Haffner, David Carpenter oder ­Lawrence Power. Power hat ihn zu dem witzigen Stück Brexit Polka angeregt, in dem in eine Polka Motive aus den Nationalhymnen der Mitgliederstaaten der Europäischen Union hineingearbeitet sind, wobei selbstverständlich die englische fehlt.
Igudesman komponiert mit oft wiederholten Motiven, motorischen Rhythmen, tonalen Zent­ren. Sein Stil ist zwischen Wiener Klassik und ­Minimalmusic angesiedelt. Von Ersterer hat er das geistvolle Spiel mit überraschenden Wendungen, von der Minimalmusic repetitive Strukturen, in denen kleinste Veränderungen zum Ereignis werden. Dabei ist sein Ausdrucksspekt­rum groß, reicht von elegisch getragenen Stücken wie der Romance und dem Andantino bis zur höchst virtuosen Passacag­lia, die an die Tradition der Bach’schen Solosonaten für Violine anknüpft.
Auch spieltechnisch ist diese Sammlung von Vielfalt bestimmt. Dabei steigert sich der Schwierigkeitsgrad: Die bereits ­genannten ersten beiden Stücke sind auch von Bratschisten zu bewältigen, die keine Virtuosen sind. Doch das folgende Scherzo, Vivace und die Rhapsody erfordern große Geläufigkeit und sicheres Doppelgriffspiel. In Rachenitsa erklingen Akkorde im schnellen Tempo, der Tango Waltz steigert sich zu einem Fortissimo-Akkordspiel und in der bereits erwähnten Passacaglia wird dem Viola-Spieler alles abverlangt: schnelle Zweiund­dreißigstel, Klangfarbenwechsel durch Sul-Ponticello- oder Tremolospiel, Wechsel zu Pizzikato und ein höllisch schnelles Vivace. Doch diese spieltechnischen Anforderungen sind kein Selbstzweck. Vielmehr entfaltet die Viola hier großen Klangfarbenreichtum, wird als Soloinstrument wirklich ernst genommen.
Igudesman ist mit diesen elf Stücken etwas Erstaunliches gelungen: Man kann sie als Etüden üben, um technische Fertigkeiten zu erarbeiten. Aber sie sind viel mehr als Etüden. Igudesman ist nicht nur Violinvirtuose, sondern auch ein mitreißender Musikdarsteller. Wenn diese Stücke nicht nur technisch überzeugend, sondern auch als musikalische Szenen gespielt werden, begeistern sie das Publikum und können der Viola neue Fans gewinnen.
Franzpeter Messmer