Stadtfeld, Martin
Volks- und Kinderlieder
Spielbuch für Klavier zu vier Händen
Der Pianist Martin Stadtfeld hat zahlreiche erfolgreiche Alben veröffentlicht. Sein Markenzeichen ist das Fantasieren und Improvisieren über Originalstücke, das zu Bearbeitungen führt, die Übermalungen gleichen oder mit dem Zusatz „nach einer Vorlage von“ betitelt werden können. In der Zeit der Corona-Lockdowns wählte er eigene Lieblingsstücke verschiedener Gattungen aus, um sie zu Klavierminiaturen zu reduzieren. Ein Projekt in dieser Zeit war seine Bearbeitung von 30 deutschen Volksliedern. Einige Stücke aus diesen Sammlungen sind in die vorliegende Edition von vierhändigen Klavierstücken eingegangen. Deren Verwendung im Klavierunterricht ist explizit intendiert, sowohl für jüngere AnfängerInnen als auch erwachsene SchülerInnen.
Der Band enthält elf Volkslieder, sieben Kinderlieder, fünf Wiegenlieder sowie fünf „alte Lieder“. Bis auf die Volkslieder sind alle Stücke Eigenkompositionen Stadtfelds. In den Kinderliedern wird im Primo-Part die Technik spiegelbildlicher Fingersätze verwendet, stets spielen gleichzeitig die gleichen Finger beider Hände. Diese aus Klavierschulen übernommene Praxis wird hier nur zum Teil systematisch angewendet, es tauchen diatonische Fünftonräume, chromatische Engen und weite Lagen auf. Beim „Liebeslied“ (Nr. 7) führt dieses Verfahren zuweilen zu ungünstigen Tönen und Fingersätzen. Bei den Kinderliedern würden mehr Angaben von Fingersätzen das Spiel erleichtern.
Die Primo-Parts der kurzen Wiegenlieder sind im Anfangsunterricht realisierbar, die Hände spielen abwechselnd, parallel, in Gegenbewegungen oder gekreuzt. Der Secondo-Part liegt zuweilen recht tief, Bassgänge in Oktaven wirken klanglich massiv. Schwieriger auszuführen sind die „fünf alten Lieder für meinen Sohn“, sie haben partiell Etüdencharakter. Ein Kanon (Nr. 2) wird kompositorisch sehr frei gehandhabt, „Kathedrale“ (Nr. 5) ist eine Fuge, bei der der Comes überraschenderweise verlängert wird durch eine Figuration, die Bachs cis-Moll-Fuge zitiert.
Es ist ein Verdienst Stadtfelds, Bearbeitungen deutscher Volkslieder vorzulegen, werden diese im Musikleben und -unterricht doch immer mehr vernachlässigt. Sie sind vielfältig gestaltet, neben einfachem Akkordsatz („Der Mond ist aufgegangen“) steht glockenspielartige Motorik („Guter Mond“), neben einer Fantasie („Weißt Du, wie viel Sternlein stehen“) ein lyrisches Klavierstück („Es dunkelt schon in der Heide“). Diese Volkslieder sind für den Klavierunterricht gut geeignet, es wäre wünschenswert, wenn der Autor mehr davon vorlegte.
Stadtfeld bevorzugt eine barocke Notationsweise, die Noten enthalten keine oder kaum Angaben zu Dynamik, Phrasierung oder Tempo. Er orientiert sich stilistisch und idiomatisch überwiegend am frühen 19. Jahrhundert. Formal basieren seine Stücke nicht selten auf melodischen Abschnitten, die auf anderen Tonstufen wiederholt werden. Aufgrund der unterschiedlichen Spielanforderungen ist der Band im Unterricht eher in Auswahl nutzbar.
Christian Kuntze-Krakau