Lindmaier, Hannah

Von Anfang an Musik

Das Wiener Superar-Streichorchester im Zeichen sozialer Verantwortung

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2016 , Seite 22

Als breitenwirksames musikalisches Förderprogramm für eine chancengleiche Gesellschaft ist Superar vor fünf Jahren angetreten. Doch ist die Musik nicht nur “Mittel zum Zweck”: Superar verbindet seine Programme dezidiert mit einem Anspruch an hohe künstlerische Qualität. Jedes teilnehmende Kind soll im Chor oder Streichorchester an sein musikalisches Potenzial herangeführt werden.

„Spielt die Stelle so, wie ihr euch fühlen würdet, wenn ihr ein süßes Hundebaby im Arm hättet!“ Dirigent Bruno Campo macht eine wiegende Geste. Zarter, vorsichtiger, liebevoller erklingt nun die Phrase aus dem berühmten Intermezzo aus Pietro Mascagnis Cavalleria Rusticana. Doch der Dirigent ist noch nicht überzeugt. Er lässt nicht locker, bis die etwa 50 Kinder und Jugendlichen des Superar-Orchesters in dieser Samstagsprobe jeden Ton intensiv gestalten und ausdrucksvoll musizieren. Die MusikerInnen bemühen sich mit Konzentration und vollem Körpereinsatz, etwaige technische und intonatorische Schwierigkeiten werden nebensächlich, es geht um das Wesentliche – die Musik.
Bis zu acht Stunden pro Woche verbringen die Musikschülerinnen und -schüler in den hellen Proberäumen von Superar in einer ehemaligen Brotfabrik in Favoriten, dem bevölkerungsreichsten Bezirk Wiens mit teils gravierenden sozialen Problemen. Hier, am Wiener Stammsitz, schlägt das Herz von Superar, von hier aus wird am Aufbau eines ambitionierten musikpädagogischen Projekts gearbeitet, das seit 2009 möglichst vielen Kindern unabhängig von ihrer Herkunft eine kostenlose musikalische Ausbildung ermöglichen möchte.
Als Inspiration für die Gründung von Superar diente (wie auch für manch anderes musikpädagogisches Großprojekt der vergangenen Jahre) El Sistema, wie die staatliche Organisation der venezolanischen Musikausbildung zumeist genannt wird. Mit Unterstützung seiner drei mächtigen Gründungsorganisationen – den Wiener Sängerknaben, dem Wiener Konzerthaus und der Caritas der Erzdiö­zese Wien – sucht Superar einen eigenen, europäischen Weg der niederschwelligen Musikausbildung. Der Name Superar steht für „(Grenzen) überwinden – (sich selbst) übertreffen“.1 Mittlerweile erreichen die Superar-Programme in sechs Ländern ungefähr 2000 Kin­der, eine stolze Bilanz nach nur fünf aktiven Jahren.
Superar ist als gemeinnütziger Verein organisiert, die Finanzierung ist durch private Förderer und diverse Zuschüsse gesichert. Das Finanzierungsmodell verlange genaueste Planung, betont der musikalische Leiter Andy Icochea Icochea im Gespräch. Superar könne immer nur mit entsprechender Gegenfinanzierung expandieren. Was 2009 mit einem Chorprojekt an drei Wiener Grundschulen begann, ist in der Zwischenzeit allerdings nicht nur zahlenmäßig um ein Vielfaches gewachsen, sondern 2013 kam mit der Gründung des Streichorchesters ein zweites Standbein hinzu. In Zukunft plant Superar neben der Ausweitung der bestehenden Programme, sich auch im Bereich Tanz zu engagieren.

1 vgl. www.superar.eu (Stand: 24.04.2016). Auf den Internetseiten von Superar finden sich zahlreiche weiterführenden Informationen zum Verein, seinen Zielen und seiner Arbeit. Darüber hinaus gehende Informationen erhielt ich in Gesprächen mit dem musikalischen Leiter Andy Icochea Icochea, mit dem Orchesterleiter Bruno Campo und dem Chorleiter Rafael Neira-Wolf.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2016.