Mayerl, Andy

Walking Bass

Step by Step zu Jazz- & Latin-Basslinien, mit 3 CDs

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Dux, Manching 2009
erschienen in: üben & musizieren 5/2009 , Seite 64

Im Jazz ist es wie in der modernen Malerei: Erst wenn man als Künstler ein klassisches Studium absolviert hat und die Theorie mit den dazugehörigen Regeln beherrscht, kann man sich von ihnen wieder lösen. Eine Improvisation ist also nicht einfach eine aus dem Hut gezauberte Musik, sondern das Ergebnis einer langen Beschäftigung mit dem Tonmaterial und seinen Gesetzmäßigkeiten. Beispiele dafür gibt es auch aus der Klassik: Beethoven hat für seine Klaviersonaten und Streichquartette selbst die Regeln erfunden, das Maß der Musik bestimmt. Dann aber hat er sich immer mehr davon gelöst: Man kann nicht glauben, dass die frühen und die späten Quartette aus der gleichen Feder stammen.
Beim Jazz sollte auch das immer gleiche Stück anders klingen, die Noten der Standards sind nur die Vehikel, die die Musik transportieren sollen. Die grafischen Zeichen selbst sind keine Musik, sie müssen erst lebendig gemacht werden. Der österreichische Bassist Andy Mayerl hat ein Unterrichtswerk aus der Praxis heraus für die Praxis zusammengestellt. Hier findet man wirklich alles, was ein Jazzbassist wissen und können muss – und doch ist es keine Kontrabass-Schule. Zuerst müssen die technischen Voraussetzungen da sein, die Töne in ihren Lagen studiert sein. Dann kann man mit Hilfe dieses Werks vielleicht allein den Weg (step by step) zum Jazz-Bassisten gehen.
Das umfangreiche erste Kapitel nähert sich sehr ausführlich in Theorie und Praxis dem Thema „Was ist Walking Bass“. Das Zupfen als solches ist ebenso erläutert wie alle Akkorde, Akkordzerlegungen, alle Tonleitern und chromatischen Übergänge. Die Dominant-Septakkorde, wichtigste Bausteine im modalen Geschehen, werden alle genannt und vorgestellt. Das ganze zweite Kapitel vertieft die Theorie und Praxis sehr wesentlich, hier können auch die eingefleischten Klassiker noch etwas lernen. Alle möglichen Alterierungen tauchen auf und alle Moll-Tonalitäten sind auf mehreren Seiten notiert.
Im dritten Teil wird dann bereits heftig geübt, Jazz-Waltzes und Balladen bis hin zum Latin Jazz und zum Jazz-Rock. Der Übende wird nicht allein gelassen mit den Noten. Insgesamt 123 Hörbeispiele sind auf drei CDs verteilt. Immer wieder sind Play-along-Beispiele dabei. Wie in einer Jazz-Geschichte werden die elf wichtigen Epochen vorgestellt und ausgesuchte Bassisten aus dieser Zeit im Bild gezeigt. Im Anhang sind die wichtigen Standards genannt, zum großen Teil auch klanglich von der CD abrufbar. Über mehrere Seiten gibt Mayerl CD-, Buch- und Film-Tipps.
Der Autor hat sich viel Mühe gemacht mit dieser Rundum-Wissensvermittlung. Was man sich bisher mühsam zusammensuchen musste, hat man nun hier beieinander. Ein Buch für Bass-Lehrkräfte, für Jazzer, für interessierte BassistInnen. Und doch ein Buch, das man nach gründlichem Studium möglichst beiseite legt, um dann ohne Notenhilfe weiterzumachen. Wenn man’s denn kann.
Wolfgang Teubner