Betz, Karl

Was zusammenklingen soll und was nicht

Richtiges Pedalisieren & künstlerisches Klavierspiel

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Emanomedia, Zürich 2021
erschienen in: üben & musizieren 6/2022 , Seite 59

Karl Betz stellt sich in diesem Buch die Aufgabe, das komplexe Zusammenwirken von Finger­aktionen und Pedaltechnik beim künstlerischen Klavierspiel in allen Facetten zu beschreiben. Zu diesem für die Klanggestaltung zentral wichtigen Thema gibt es noch nicht viele Veröffentlichungen. Vor allem sind hier das Standardwerk Pedaltechnik für Pianisten von Joseph Banowetz und das ausführliche Pedal-Kapitel in Klavierspiel und Improvisation von Günter Philipp zu nennen. Mit seiner eigenständigen Herangehensweise gelingt es Betz, zahlreiche neue Gedanken und Vorschläge in den Diskurs einzubringen.
Als Pianist verfügt der Autor über einen außergewöhnlichen Spürsinn für den Klavierklang in allen seinen Schattierungen, wie z. B. seine Einspielung der Liedtranskription Der Müller und der Bach von Schubert/Liszt auf YouTube beweist. Dazu kommt seine lange Erfahrung in der Hochschullehre (1986-1994 Professor für Klavier an der Musikhochschule Freiburg, 1994-2012 an der Musikhochschule Würzburg), die ihn dazu veranlasst hat, das Thema nicht nur für sich selbst, sondern auch für seine Studierenden immer wieder neu zu durchdenken. Die meisten der 315 Beispiele, an denen der Autor seine Gedanken erörtert, entstammen der Konzertliteratur, doch die Grundgedanken lassen sich ohne Weiteres auf einen großen Teil der Unterrichtsliteratur übertragen.
Breiter Raum ist den typischen Pedalfehlern und ihrer Bearbeitung gewidmet. Zu den Fehlern zählt Betz nicht nur die unmittelbar störenden Pedalverschmierungen und die bei weitgriffigen arpeggierten Akkorden häufig auftretenden, unvollständig erfassten Klänge, sondern jeden reflexhaft ohne Bezug zu den musikalischen Erfordernissen erfolgenden Pedalgebrauch. Zu jedem der drei Themenfelder gibt er zahlreiche Beispiele, beschreibt jeweils den Kern des Problems und gibt präzise, konkrete Hinweise zur Verbesserung. Dabei betont er immer wieder die zent­rale Bedeutung des Hörens.
Sehr hilfreich ist das Kapitel „Das Pedal als technische Hilfe“. Hier geht es vor allem um die Möglichkeit, Tasten unter Pedal vorzeitig loszulassen und auf diese Weise Spannungen zu vermeiden oder eine neue Hand­position frühzeitig einzunehmen. Als weitere Einsatzmöglichkeiten für das rechte Pedal werden das vorausgenommene, das bewusst unvollständig gewechselte und das verzögert weggenommene Pedal diskutiert, ebenso die Möglichkeit des stummen Nachgreifens einzelner bereits losgelassener Töne, die nach einem Pedalwechsel weiter klingen sollen.
Bedingung für einen guten Klavierklang ist, in Wechselwirkung mit einem differenzierten Pedalgebrauch, eine entwickelte Kunst der Lautstärkenmischung. Auch dies wird an überzeugenden Beispielen dargestellt. Dem Tonhaltepedal und der Verschiebung ist jeweils ein eigenes Kapitel gewidmet.
Sigrid Naumann