Heller, Barbara
Weiße Tasten, schwarze Tasten
Für Klavier
Das im Jahr 2003 geschriebene Stück von Barbara Heller ist dem Pianisten Werner Barho gewidmet, der auch die Uraufführung spielte. Wie der Titel anzeigt, basiert die Komposition auf dem Gegensatz zwischen schwarzen und weißen Tasten, verwendet aber nicht durchgängig das Spiel „auf zwei Manualen“, d. h. nicht immer ist jede Hand ausschließlich den weißen oder schwarzen Tasten zugewiesen. Formal besteht das Stück aus einer Folge einzelner Abschnitte, die sich jeweils auf eine bestimmte Bewegungsform und bestimmte Intervallkonstellationen konzentrieren und nach Belieben auch in eine andere Reihenfolge gebracht werden können. Außerdem darf an einer Stelle eine frei improvisierte Kadenz eingefügt werden, wobei die Komponistin hier auch das Spiel auf den Saiten im Flügelinnenraum empfiehlt. Ansonsten werden keine Zusatzgeräte oder Präparationen verlangt, allerdings sollte ein drittes Pedal vorhanden sein.
Verantwortlich für den Klangcharakter dieser Musik ist zunächst die Intervallstruktur. Es dominieren Quart-, Quint- und Oktavklänge, also eher „leer“ klingende Intervalle. Vielfältiger wird das Klangbild durch die Reibungen zwischen den Händen beim Nebeneinander von „schwarzen“ und „weißen“ Griffen. Außerdem spielen auch die Pedale eine wichtige Rolle bei der Zusammenfassung der Töne zu größeren und obertonreicheren Klangkomplexen.
In einer zentralen Position kurz vor der Mitte findet sich ein kleiner Choral, der durch die hier mögliche, zu improvisierende Kadenz über sein Tonmaterial noch aufgewertet werden kann. Dieser Choral und ein früherer Abschnitt, der von einer Gruppe aufwärts strebender Quartmotive gebildet wird, sowie der zweistimmige lineare Epilog sind praktisch die einzigen melodisch geformten Teile. Alle übrigen Abschnitte des Stücks sind eher figurativ gehalten.
Dies und die Tatsache, dass wir es meist mit einer unkomplizierten, gleichmäßig durchlaufenden rhythmischen Bewegung zu tun haben, weisen darauf hin, dass die rein klangliche Seite den wichtigsten Ausdrucksträger darstellt. An technischen Aufgaben wird man mit gebrochenen Oktaven, tremoloartigen Figuren, Glissando und natürlich dem Spiel mit abwechselnden Händen konfrontiert. Die dynamische Bandbreite reicht in der Notation von pp bis fffff. Die real erklingende Lautstärke kann allerdings wegen teilweise sehr hoher Lagen und eines durchgehend schlanken Klaviersatzes auch bei langem Pedal diese Dimensionen nicht erreichen. Die Notation meint also wohl eher die Intensität der Gestik als die schlichte Lautstärke.
Grifftechnisch halten sich die Schwierigkeiten in Grenzen. Es gibt – außer im Choral – keine Akkorde, sondern nur Einzeltöne oder Doppelgriffe bis zur Oktave. Insofern könnte das Stück auch von fortgeschrittenen SchülerInnen bewältigt werden. Dem steht jedoch der Umfang entgegen, der mit zwölf Seiten doch größere Anforderungen an die dramaturgische Kraft der Ausführenden stellt. Vor allem das Reihungsprinzip erschwert die innere Verbindung zwischen den Teilen.
Linde Großmann