Braun, Andrea

Welche Wege führen nach Rom?

Kongress „Einfach musizieren!?“ an der Hochschule für Musik Würzburg

Rubrik: Bericht
erschienen in: üben & musizieren 3/2011 , Seite 36

Einfach musizieren: Natürlich sollte allen Kindern im Vor- bis Grundschulalter die Möglichkeit eröffnet werden zu musizieren und auszuprobieren und dabei im besten Falle das Instrument zu entdecken, das sie lernen möchten. Dafür gibt es an Musikschulen und Grundschulen inzwischen auch zahlreiche Konzepte, so genannte Orientierungsangebote. Nur: Wie kann man deren Qualität beurteilen? Wie muss ein gutes Angebot aussehen, das der kindlichen Zielgruppe nicht nur Spaß am Musizieren vermittelt, sondern vielleicht auch noch den Übergang vom Elementaren Musizieren zum Instrumentalunterricht ermöglicht oder erleichtert?
Solche Fragen wurden auf dem zweitägigen Kongress „Einfach musizieren!? – Kinder auf dem Weg zu Instrument und Stimme. Orientierungsangebote an Musikschulen und Grundschulen“ thematisiert, den der Verband Bayerischer Sing- und Musikschulen e. V. (VBSM) in Kooperation mit der Hochschule für Musik Würzburg, dem Verband deutscher Musikschulen und dem bayerischen Kultusministerium im März in Würzburg veranstaltete. Die 120 Teilnehmer, die meist aus Bayern, aber auch aus anderen Bundesländern angereist waren, konnten sich hier in Kurzvorträgen nicht nur über Ansatz und Arbeitsweise der Elementaren Musikpädagogik (EMP) und das impulsgebende Potenzial des Grundschullehrplans Musik, zur Frage, ob Musik die Schulentwicklung stärkt, und zu den Anforderungen an Elternarbeit informieren, sondern auch über Kriterien zur Beurteilung eines Orientierungsangebots.
Barbara Busch, Professorin für EMP an der Würzburger Hochschule und eine der Orga­nisatorinnen des Kongresses, widmete sich diesen Kriterien – und stellte zu Beginn ihres Vortrags erst einmal fest, dass Qualität immer relativ sei: „Das Ergebnis ergibt sich immer aus einer Koproduktion von Schüler und Lehrer.“ Und Qualität sei immer auch davon abhängig, aus wessen Perspektive sie beurteilt würde, welche Zielgruppe man ansprechen und welche Zielkriterien für den Schüler man festlegen wolle.
Zur Beurteilung von Angeboten führte sie fünf Qualitätskriterien an, beginnend mit lern- und musizierförderlichem Klima: „Da geht es um Regelklarheit, Begeisterungsfähigkeit des Lehrers und auch aktive Elternarbeit.“ Als zweiten Punkt nannte sie die Unterrichtsdramaturgie, die von inhaltlicher und struktureller Transparenz und Stimmigkeit geprägt sein solle. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die tatsächliche Lernzeit bei einem Angebot, die – abhängig etwa von guter Vorbereitung der Lehrkraft, Disziplin und Stringenz – auch bei gleicher Stundenzahl von Angeboten sehr unterschiedlich ausfallen könne. Auch ein adäquater Umgang mit der Heterogenität von Lerngruppen spiele eine große Rolle bei der Beurteilung; und schließlich müsse ein gutes Angebot auch noch eine gewisse Methodenvielfalt aufweisen – „also verschiedene Ausdrucksformen wie Singen, Musizieren, Bewegen, Abbilden aktivieren, weil Musik dadurch vielleicht als persönlich bedeutsam erlebt werden kann“ – und außerdem vielfältige Umgangsweisen mit Musik – von der Rezeption über die Reflexion bis zur Transformation – anregen. „Das alles ist freilich als Steuerungswissen zu verstehen, nicht als Kochbuch“, so Busch.
Zwischen den Vortragsblöcken konnten sich die Teilnehmer in fünf Workshops selbst ein Bild von Angeboten machen. Themen wie „Aktiv Instrumente lernen“, „Bewegungsorientiertes Musizieren“, „Mit Gruppen einfach musizieren“, „Im Tandem unterrichten“ oder „Diszipliniert musizieren in der Großgruppe“ wurden praktisch vermittelt, indem die Lehrkräfte hier selbst in die Schülerrolle schlüpften – wobei es auf Außenstehende nicht unkomisch wirkte, wenn beispielsweise 25 studierte MusikerInnen mit Trommeln und Schlaghölzern eine Stunde lang begeistert mit einem sehr reduzierten Melodie-Rhythmusmodell operierten… Doch diese Konzeption sei eben „sehr stark aus Sicht der EMP überlegt“, erklärt Barbara Metzger, Professorin für EMP in Würzburg, die den Kongress zusammen mit Barbara Busch und Peter Pfaff vom VBSM konzipiert hatte und leitete. „Die EMP geht grundsätzlich davon aus, dass man alles erst selbst erlebt und dann weitergibt. Wenn jemand sich darauf einlässt, bekommt das Gelernte dadurch eine große emotionale Tiefe. EMP-Fortbildungen sind immer handlungsorientiert.“
Großen Zuspruch fanden auch diverse Diskussionsangebote: „Ein inhaltlicher und interaktionärer Höhepunkt war sicher unser Worldcafe, das zum Miteinander-Planen, Thematisieren, Diskutieren des ganzen Komplexes einlud, wo jeder sagen konnte, wo’s ihn drückt“, so Metzger. Und gerade das schien den TeilnehmerInnen sehr wesentlich: „Man hat ein großes Bedürfnis nach Informationsaustausch, aber auch nach persönlichem Austausch gespürt: Welche Projekte werden wo gemacht… Wir leben einfach in einer Projektwelt, in der man jedes halbe Jahr hier und dort etwas macht; aber alles sollte doch auch eine konzeptionell langzei­tige Orientierung haben“, betont Barbara Metzger. „Ich habe vom Beobachten her das Gefühl, dass man auf der einen Seite regional gefärbte Konzepte braucht, weil jede Musikschul-, Grundschulkonzeption anders ist. Aber in der inhaltlichen Form sucht eigentlich jeder etwas Verbindendes, was die Qualität wahrt.“

Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 3/2011.