Ponce, Manuel

Werke für Gitarre

Urtext

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2006
erschienen in: üben & musizieren 5/2006 , Seite 68

In diesem äußerlich ansprechend gestalteten Band finden sich vier wichtige Werke Ponces, die er für Andrés Segovia geschrieben hat und die in der Bearbeitung durch diesen zeitnah in dessen Editionsreihe bei Schott erschienen sind. Die von Tilman Hoppstock sorgfältigst edierte Neuausgabe löst nun diese Symbiose von Interpret/ Bearbeiter und Komponist wieder auf und gibt dem vom Komponisten verfassten Text den Vorzug. Zum Zeitpunkt der Entstehung war niemand geeigneter diese komplexen Sonaten bzw. Variationssätze dem Instrument anzupassen als Segovia und jahrzehntelang kam niemand auf die Idee, seine Lösungen in Frage zu stellen. Doch mittlerweile gibt es eine Auseinandersetzung mit diesem Aspekt von Segovias künstlerischer Tätigkeit und die gelegentlich überraschenden Resultate (als Beispiel sei auf die in der Fachpresse ausführlich dokumentierte Auseinandersetzung mit dem Manuskript der 12 Etudes von Heitor Villa-Lobos verwiesen) ersetzen eine kritiklose Fortsetzung seiner zum Teil sehr subjektiven Auslegungen. Es ist deshalb folgerichtig, dass auch Ponces Werke möglichst frei von editorischen Eingriffen zugänglich gemacht werden.
Ponces Œuvre nahm von jeher einen bedeutenden Stellenwert ein. Schon die ersten Besprechungen der Fachpresse hielten seinen Beitrag, obwohl er nicht modern war, doch für das Gehaltvollste in dem von Segovia angeregten neuen und durch die Einbeziehung von Komponisten, die nicht das Instrument spielen konnten, auch neuartigen Repertoire. In seinem kritischen Bericht gibt Hoppstock zunächst einen ausführlichen Überblick über die Entstehung jedes Werks, bevor er in den Einzelanmerkungen die für das jeweilige Stück relevanten Details auflistet. Und diese lassen so manches scheinbar Vertraute in neuem Licht dastehen: So fehlen z. B. beim Thème varié et Finale nicht weniger als vier Variationen!
Es wird deutlich, dass sich jeder Interpret, der sich mit Ponces Werken auseinander setzt, an dieser Ausgabe nicht vorbei kann. Künstlerische und interpretatorische Entscheidungen können und müssen nun frei von Vorgaben, die, wenn man Segovias Ausgaben mit ihren ausführlichen Fingersätzen bedenkt, sehr konkret waren, eigenverantwortlich neu getroffen werden. Ausgaben wie die vorliegende schaffen die Voraussetzungen dafür und sind deshalb willkommen. Es wäre wünschenswert, dass auch die anderen Werke Ponces sukzessive in entsprechenden Ausgaben wiederveröffentlicht werden. Der Anfang ist gemacht – und er ist gelungen.
Andreas Stevens-Geenen