Roß, Ina

Wie überlebe ich als Künstler*in?

Eine Werkzeugkiste für alle, die sich selbst vermarkten wollen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: transcript, Bielefeld 2022
erschienen in: üben & musizieren 1/2023 , Seite 58

Nach dem Studium oder aufgrund eines Arbeitsplatzverlustes gezwungen, auf eigenen Füßen zu stehen, sowie andere Zwänge in künstlerischen Berufen lassen die im Titel angesprochene Frage zu einer existenziellen Notwendigkeit werden. Wobei das Wort „wollen“ durch „müssen“ ergänzt werden könnte. Dass es hierfür oft am nötigen Handwerkszeug mangelt und künstlerisch arbeitenden Menschen nicht immer leicht fällt, in die Niederungen des Business hinabzusteigen und sich auf den freien Markt zu begeben, ist eine häufig anzutreffende Tatsache. Trotz der inzwischen an zahlreichen künstlerischen Ausbildungsinstituten anzutreffenden Praxisorientierung in Form von Wahlpflichtangeboten zu Marketingstrategien, Werbedesign oder Einübung in Resilienz bleibt das Gefühl, in eine unüberschaubare und oft als feindlich empfundene existenzielle Realität geworfen zu sein, ein bedeutsames Blockademoment, um sein Berufsleben als KünstlerIn erfolgreich in die eigenen Hände zu nehmen.
Bei der Bewältigung dieser Prob­lematik kann das Buch von Ina Roß gute Hilfestellung leisten. Es ist systematisch aufgebaut und liest sich nicht nur flüssig, sondern lässt auch dem Humor genügend Raum, um die Motivation wach zu halten. Insofern ist es in der Tat eine „Werkzeugkiste“. Bemerkenswert ist, dass die Verfasserin nicht den Königsweg zum Erfolg schildern kann und will, sondern gerade auf die kreativen Möglichkeiten jeder individuellen Lebens- und Berufssituation und die jeweiligen persönlichen Stärken setzt.
Das Angebot des Buchs enthält alle entscheidenden Bereiche, die von Pressearbeit über Verwertungsgesellschaften bis zu Projektanträgen und allen hierzu nötigen Rechercheaufgaben reichen. Besonders Aspekte wie Crowdfunding, Social Media oder Guerilla-Marketing werden thematisiert und inhaltsreich erläutert, sodass eine Hilfestellung auf der Höhe der Zeit vorliegt. Der didaktische Hintergrund wird im Vorwort wie folgt beschrieben: „Mut zum Unperfekten, Mut zum Machen, Mut zur eigenen Sache und zum eigenen Weg sind die wichtigsten Motti dieses Buches.“ Ansprechende Grafiken und Fotos ergänzen den starken Aufforderungscharakter des Buchs und machen es zu einer für ein Sachbuch angenehm kurzweiligen Lektüre.
Wer sich auf das Buch einlässt, muss natürlich den Weg in die „raue Wirklichkeit“ letztendlich selbst gehen, wird dies aber mit einem anderen, souveränen Hintergrund tun können. Die Treppe zum Erfolg beschreibt die Autorin zu Anfang in einer achtstufigen Leiter, die vom Standpunkt „Ich werd’s nicht machen“ bis zu „Ich hab’s geschafft“ führt. Und macht auf überzeugende Weise Mut: Denn eigentlich haben ja KünstlerInnen eine großartige Ausgangsposition, da ihr eigentliches Geschäft und ihre wesentlichste Ressource die Kreativität ist – ein Pfund, mit dem sie auch in der „Wildnis“ bestehen können.
Thomas Holland-Moritz