Spiekermann, Reinhild

Wie viel Geld kann ich verlangen?

Unterrichtsvertrag und finanzielle Organisation für selbstständige Instrumentalpädagogen

Rubrik: musikschule )) DIREKT
erschienen in: üben & musizieren 2/2014 , musikschule )) DIREKT, Seite 08

Im Dezember 2013 begann unsere Artikelserie zur Selbstständigkeit von InstrumentalpädagogInnen mit dem Basisartikel „Ich mache mich selbstständig – aber wie?“ Im Februar wurden unter der Überschrift „Professionell von Anfang an“ die Bereiche Management und Organisation erläutert. Im dritten Teil geht es um vertragliche und finanzielle Aspekte.

„Musikunterricht für jedes Alter in Ihrem Wohnzimmer. Klavier, Akkordeon, Gitarre. Keine Verträge.“ – Seit geraumer Zeit stolpere ich über diese regelmäßig im örtlichen Kleinanzeiger geschaltete Annonce. Der Inserent wirbt mit Vertragsfreiheit, was dem Kunden höchstmögliche Freiheit suggeriert und dem Inserenten einen Status zuweist, der dem des Musiklehrers im 19. Jahrhundert ähnelt: „ein Miethling“, dem man „abdanken“ kann zu jeder Stunde.1 Wem dient diese (vermeint­liche) Freiheit? Sollte sich der Instrumen­tallehrer als Freiwild verstehen? – Wer seinen Beruf professionell ausüben will (das heißt mit der Intention, davon zu ­leben!), der muss sich professionell aufstellen.
Kurzum: Dreh- und Angelpunkt einer professionellen Lehrtätigkeit ist ein Unterrichtsvertrag, der die wichtigsten Punkte zwischen Lehrkraft und Schülern/Eltern regelt. Auch wenn mündliche Vereinbarungen rechtlich wirksam sind, lassen sich im Streitfall schwerlich Nachweise erbringen, was vereinbart wurde. Sinnvoll ist es, auf Musterverträge zurückzugreifen. Solche stellt die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft ver.di bereit (http://musik.verdi.de/ musikschulen/freiberuflich/mustervertraege). Bei Mitgliedschaft im Deutschen Tonkünstlerverband DTKV (www.dtkv.org) kann man über den jeweiligen Landesverband gegen eine geringe Gebühr Verträge bekommen.2 In beiden Fällen ist man z. B. bei veränderter Rechtssprechung auf der sicheren Seite, da diese Verträge entsprechend modifiziert werden. Wer einen individuellen Vertrag erstellen möchte, sollte diesen rechtlich prüfen lassen.

Vertragsinhalte

Beide genannten Varianten an Musterverträgen ähneln sich in ihren Grundzügen. Folgende Aspekte werden ge­­regelt:
– Personalien der Vertragspartner
– Unterrichtsfach, -form, -ort und -dauer je Einheit
– Vertragsbeginn und Laufzeit („auf unbestimmte Dauer“ oder „befristet auf ein Un­terrichtshalbjahr“ mit automatischer Verlängerung bei Nichtkündigung)
– Kündigungsmodalitäten (da der Gesetzgeber nur sehr kurze Kündigungsfristen als Mindestfristen vorsieht, ist es ratsam, längere Fristen zu vereinbaren, also z. B. „sechs Wochen zum Quartalsende“)
– Probezeit (ist für beide Vertragsseiten sinnvoll; innerhalb der Probezeit kann mit Wochenfrist gekündigt werden)
– Ferienregelung
– Honorar und seine Fälligkeit (üblich ist inzwischen, von einem Jahres- oder Halbjahreshonorar auszugehen, das in zwölf bzw. sechs gleichen Raten zu zahlen ist, fällig z. B. am 1., 10. oder 15. eines Monats)
– Zahlweise (bar, Dauerauftrag oder Lastschrift, zum SEPA-Verfahren siehe musikschule )) DIREKT 1/2014, S. 5; an dieser Stelle des Vertrags werden auch die Bankdaten der Zahlungspflichtigen erfasst)
– Unterrichtsausfall (sicherlich der schwierigste Punkt: beide Musterverträge gehen von einer Honorarfortzahlung von sechs Wochen im Krankheitsfall aus, was erfahrungsgemäß bei vielen Zahlungspflichtigen auf Widerstand stößt; auch wird hier geregelt, wie mit kurzfristigen Absagen oder Unterrichtsverlegungen umzugehen ist)
– Möglichkeiten und Modi einer Honorarerhöhung („nach billigem Ermessen“, das heißt man hat einen Gestaltungsspielraum innerhalb der Grenzen einer angemessenen und gerechten Preisfindung)
– Regelung bei ansteckenden Krankheiten (der Schüler hat sich zu verpflichten, zu Hause zu bleiben, wenn er so krank ist, dass er den Lehrer anstecken könnte).
Die DTKV-Verträge verlangen darüber hinaus vom Schüler, dass er eine Erlaubnis einholt, wenn er bei Veranstaltungen Dritter öffentlich auftritt. Außerdem wird vom Schüler regelmäßiger Unterrichtsbesuch verlangt bei angemessenem Übepensum.
Sinnvoll ist, wie es beispielsweise der Landesverband Bayern im DTKV vorsieht, eine Unterschriftszeile, in der sich Schüler und Erziehungsberechtigte dazu bereit erklären, Ton- und/oder Bildaufnahmen und ihre Nutzung z. B. für Imagebroschüren oder im Internet zu gestatten. Dies spart viel Arbeit, müsste man sonst doch jeweils direkt vor einzelnen Veranstaltungen Einverständniserklärungen einholen.
Der Mustervertrag von ver.di ist insgesamt knapper gehalten und verweist auf „umseitig abgedruckte“ AGB als allgemeine Unterrichtsbedingungen. Diese Zweiteilung findet sich in der Praxis häufig, werden so doch regelmäßig wiederkehrende Bedingungen auf eine zweite Seite „ausgegliedert“ zugunsten eines kürzeren Vertragstextes. Die Verträge des Tonkünstlerverbands sind entsprechend länger und etwas detaillierter. Grundsätzlich gilt: Alle Vertragsdetails mit dem angehenden Vertragspartner gründlich durchsprechen und gegebenenfalls erläutern!

Geschäfts- und Privatkonto

Wie organisiere ich meine beruflichen finanziellen Angelegenheiten? Steuerberater empfehlen, von Anfang an zusätzlich zum privaten Girokonto ein Geschäftskonto zu eröffnen, um privaten und beruflichen Geldverkehr getrennt zu verwalten. Allein wegen der Aufbewahrungspflicht von betrieblichen Belegen von derzeit zehn Jahren ist das sinnvoll. Goetz Buchholz empfiehlt in seinem Ratgeber Selbstständige, sich jedoch genau zu überlegen, in welchem Umfang voraussichtlich Buchungen erfolgen werden, denn ein zusätzliches Geschäftskonto kostet Geld: eine Grundgebühr von einigen Euro monatlich zuzüglich Beträge für jede Einzelbuchung. In den Geschäftsbedingungen von Geldins­tituten finden sich häufig Regelungen, die die gewerbliche Nutzung eines privaten Girokontos untersagen. Da die Instrumentallehrkraft als Solo-Selbstständige aber kein Gewerbe treibt, könnte es ein Gespräch mit der Hausbank wert sein, ob man für freiberufliche Einnahmen nicht ein zweites Girokonto eröffnet und den Geldverkehr im Rahmen einer Monatspauschale abwickelt.
Sollte es sich um eine überschaubare Anzahl an Buchungen handeln, kann man auch das vorhandene Privatgirokonto nutzen. Das Finanzamt interessiert lediglich eine nachvollziehbare, geordnete Darlegung von Betriebseinnahmen und -aus­gaben, also eine sogenannte Einnahmen-Überschuss-Rechnung, die man durchaus anhand des eigenen Girokontos erstellen kann. Ob das Finanzamt aber damit auch erfahren soll, was und in welchen Geschäften ich per EC-Karte kaufe oder in welchen Abständen ich Bargeld in welcher Höhe abhebe, das muss jeder für sich entscheiden. Wichtig ist nur, eine lückenlose, zeitlich und inhaltlich geordnete Aufzeichnung (mit Belegen) aller Geschäftsvorfälle anzulegen.
Wie verwalte ich die Zahlungen von SchülerInnen? Mehrere Versionen sind denkbar: Nutze ich ein Geschäftskonto meiner Hausbank, kann ich über deren Software (Abo-Verfahren) im Rahmen von Online-Banking alles abwickeln, auch Lastschrifteinzüge.
Alternativ kann ich eine einfache Buchhaltungssoftware benutzen (z. B. die auch vom Finanzamt empfohlene Freeware Easy Cash & Tax für Windows, www.easyct.de), die über ein ELSTER-Plugin direkt in das elektronische Steuererklärungssystem des Finanzamts (ELSTER, www.elster.de) eingegeben werden kann. Hiermit ist allerdings kein Lastschriftverfahren möglich. Oder ich ordne berufliche Ein- und Ausgaben direkt einem von mir individuell ­gestalteten Tabellenprogramm zu (z. B. als Excel-Tabelle) und übertrage die relevanten Daten von Hand in mein ELSTER-Formular.3 Abzuwarten bleibt, inwieweit „Elster in die Wolke fliegt“ und sich mit einem Smartphone relevante Belege abfotografieren lassen, um dann per App in einer ElsterBox der ElsterCloud ein unkörperliches, digitales Dasein zu fristen.4 Nostalgiker greifen aber auch immer noch auf die „Zwei-Schuhkarton-Variante“ zurück, die einmal im Jahr das große Sortieren, Abheften und In-digitale-Daten-Verwandeln verursacht und gleich dem Frühjahrsputz kathartische Wirkung zeigen kann.

Kalkulation der Honorare

Zuletzt: Wie kalkuliere ich meine Honorare? Wie viel Geld kann ich für welche Unterrichtsleistung verlangen? Vielleicht die schwierigste Frage, auf die keine allgemein gültige Antwort gegeben werden kann, hängt dies doch von vielen Faktoren ab.5 Zu empfehlen ist eine gründliche Recherche der Situation vor Ort (Preisstruktur von Privatanbietern, Musikschulen, sonstigen Bildungseinrichtungen, unter Umständen auch vom Musikalienhandel). Anhaltspunkte bieten weiterhin Honorarumfragen, wie sie die Regionalverbände des DTKV unternehmen, oder auch eine umfassende Datenbank der mediafon mit Beispiel­honoraren aus unterschiedlichsten freien Berufen (www.mediafon.net > Honorare/ Verträge > Honorarumfrage Solo-Selbstständige, als Stichwort Musikschule, Inst­ru­mentallehrer oder Musiklehrer eingeben). Bei mediafon findet sich mit Stand vom Januar 2013 auch eine Vergleichsrechnung, was freie Instrumentallehrkräfte verdienen müssten, wenn sie einem Angestellten im TVöD gleichgestellt wären (www.mediafon.net > Honorare/Verträge > Honorarumfrage für alle Branchen > Musikschulen: Honorar- und Gehaltstabellen).

1 Michael Roske: „Umrisse einer Sozialgeschichte der Instrumentalpädagogik“, in: Christoph Richter (Hg.): Instrumental- und Vokalpädagogik 1: Grundlagen (= Handbuch der Musikpädagogik, Bd. 2), Kassel 1993, S. 158-196, hier: S. 176.
2 Wer eine private Musikschule gründen möchte: musikschule intern bietet zum Preis von 100 Euro (zzgl. MwSt.) derzeit zwei Musterverträge an: Freier-Mitarbeiter-Vertrag für Honorarkräfte bzw. Unterrichtsvertrag für Schüler, www.musikschule-intern.de/?page_id=220
3 Selbstständige müssen ELSTER benutzen, Papier­formulare sind für sie nicht mehr zugelassen.
4 vgl. z. B. www.mgm-tp.com/oeffentliche-auftraggeber/kompetenzbereiche/elsterbox
5 vgl. Stefan Lindemann: Marketing und Management für Musikpädagogen, Kassel 2002, S. 46-55.