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Schütze, Dennis

Your Personal Guitar Coach

Instrumentalunterricht als Personal Coaching?

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 3/2018 , Seite 46

Vor einiger Zeit kam ein neuer, erwachsener Schüler zu mir, um Gitarrenunterricht zu nehmen. Nach der Kennenlernstunde wurde vereinbart, dass der Unterricht wöchentlich in Einzelstunden à 30 Minuten stattfinden solle. Wir trafen uns also regelmäßig und dabei fiel mir auf, dass er oft in Trainingshose, Kapuzenpulli und Turnschuhen zur Stunde kam. Das lag daran, dass er als Physiotherapeut in der eigenen Praxis arbeitete und nebenbei auch betuchten Geschäftsleuten private Trainingsstunden erteilte. Außerdem war auffällig, dass er zwar immer pünktlich, aber oft unvorbereitet zum Unterricht kam. Oft gestand er mit einem unschuldigen Grinsen im Gesicht: „Diese Woche habe ich kein einziges Mal die Gitarre in der Hand gehabt!“
Als Lehrer war ich natürlich nicht begeistert; man schließt ja gerne an die verinnerlichten Inhalte der vergangenen Stunden an. So waren wir allerdings dazu gezwungen, Inhalte der vorangegangenen Stunde zu wiederholen oder unverrichteter Dinge ein neues Thema anzugehen, obwohl das alte noch nicht abgeschlossen worden war.
Irgendwann sprach ich ihn darauf an und erklärte, dass so eine Vorgehensweise aus musikpädagogischer Sicht nicht sehr ergiebig sei. Darauf entgegnete er, er würde den Unterricht bei mir als eine Form des Personal Coaching betrachten: Er komme, um in meinem Beisein und mit mir zu üben, er wolle Spaß haben, motiviert werden, fachliche Anregungen und technische Vereinfachungen gezeigt bekommen. Zuhause üben würde er nur bei Gelegenheit, es wäre für ihn aber kein fest eingeplanter Teil des instrumentalen Lernens. Zum Üben sei ja die wöchent­liche Stunde da und ich sei verantwortlich dafür, dass er in wohldosierten Schritten vorankomme.
So hatte ich das bisher noch nie gesehen. Dass ich als Personal Coach in Sachen Gitarrenspiel betrachtet werden kann, wurde mir erst in diesem Augenblick klar. Zuerst war ich wie vor den Kopf gestoßen, aber noch während unser Unterricht (oder soll ich lieber sagen: Trainingsprogramm) weiterlief, versuchte ich die neue Sichtweise und ihre Bedeutung für meinen Berufsstand mit allen damit verbundenen Konsequenzen zu verstehen.

Instrumentalunterricht und Coaching

Die Fähigkeit, ein Instrument zu erlernen und zu spielen, ist seit geraumer Zeit kein Selbstzweck mehr. Manche Eltern setzen heute bewusst auf „Transfereffekte“ des Instrumental­unterrichts, also auf die Möglichkeit, hierbei Motivation, Konzentration, Fleiß und Selbstdisziplin einzuüben. Gemäß der leistungs­gesellschaftlichen Logik werden einstudierte Fähigkeiten, gar Talent und Musikalität in Auf­nahmeprüfungen, Studiengängen und Wettbewerben (z. B. „Jugend musiziert“) verglichen und bewertet. Anbieter von Instrumentalunterricht sind Privatlehrkräfte, Musikschulen, allgemeinbildende Schulen, Musikfachschulen und Musikhochschulen. Dabei kann im Unterricht auf verschiedene Lehrmethoden, reichhaltige Literatur und weiterreichende Medien zugegriffen werden. Die klassische Beziehung im Instrumentalunterricht ist die zwischen LehrerIn und SchülerIn.
Coaching wird im Deutschen als Sammel­begriff für unterschiedliche Beratungsmethoden verwendet. Es stammt ab vom englischen „Coach“ („Kutsche“) und war Mitte des 19. Jahrhunderts eine umgangssprachliche Bezeichnung für Tutoren, die Studenten durch ein Examen brachten (oder transportierten). Das Wort Coaching bezeichnet also einen Prozess, der angewendet wird, um eine Person von dem Ort, an dem sie sich befindet, zu einem Ort zu bringen, an dem sie sein möchte. Der Coach oder Trainer begleitet ­diesen Entwicklungsprozess zu persönlichen oder beruflichen Zielen durch Beratung, Training und Führung. Diese finden zumeist in Einzelsitzungen über einen längeren Zeitraum statt, bis das Ziel erreicht wurde.
Eine besondere Form des Coachings ist das Personal Fitness Coaching. Diese Methode zur Förderung der körperlichen Kondition oder Gewichtsabnahme stammt ursprünglich aus dem Bereich des Hochleistungssports, wird heute aber auch von Menschen in Anspruch genommen, die Wert auf professionelle, persönliche Betreuung legen. Vom Coach wird ein an die jeweilige Person angepasstes Fitnessprogramm ent­wickelt und von dieser unter Aufsicht absolviert. Der Coach ist stets selbst dabei, beobachtet, leitet an und motiviert. Auch diese Treffen finden als Einzelstunden, zumeist regelmäßig, oftmals sogar im Umfeld des Klien­ten statt (zu Hause, im Büro oder Hotel). Nach Sportverein und Fitnessstudio ist dies die individualisierteste Form der sportlichen Betätigung unter Anleitung und daher meist auch kostenintensiv. Oft wird das Trainingsprogramm durch die Messung und Katalogisierung von persönlichen Körperdaten (Pulsfrequenz, Blutdruck, Bewegungsprofil, Gewicht), durch ein Ernährungsprogramm und weitere Maßnahmen flankiert. Auf diese Weise können persönliche Entwicklungen in Zahlen gefasst, in Tabellen und Diagrammen anschau­lich gemacht und das Trainingsprogramm bei Bedarf angepasst werden. Die klassische Beziehung im Coaching ist die zwischen Coach und Klient.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 3/2018.