Delorko, Ratko

Zeitklang

Ein Zyklus für Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Zimmermann, Frankfurt am Main 2006
erschienen in: üben & musizieren 1/2007 , Seite 65

Es ist wahr: Jeder Tag bringt für jeden von uns ziemlich viel „Stress, Kampf und Entsetzen“. In jedem Fall so viel, dass man sich nicht unbedingt auch noch in der Musik damit herumschlagen muss. Diesem Faktum möchte der Pianist und Komponist Ratko Delorko in seinen Stücken dahingehend Rechnung tragen, dass er sich bemüht, in ihnen nicht gerade eine heile Welt, aber doch hauptsächlich positive Empfindungen zu transportieren. Soweit die atmosphärische Idee, die seinem 1991 entstandenen Klavierzyklus Zeitklänge zu Grunde liegt.
Umgesetzt wird dieses Konzept in weitgehend tonaler und nicht allzu komplexer Tonsprache, die sich – abgesehen von gelegentlichen dissonanten Schrecksekunden – vor allem an Oktav, Quint und Terz orientiert. Ein Stil, der langweilig wirken könnte – wären da nicht genau die Elemente, die diese Stücke zum Leben erwecken, faszinierend machen, einige zu wirklichen Ohrwürmern werden lassen: Da ist zunächst einmal der Rhythmus, bei dem sich der Komponist höchst variabler Taktarten bedient, dabei viel mit Synkopen arbeitet und den Hörer beispielsweise durch ständig wechselnde Schwerpunktsetzungen in der immer gleichen Melodie bei der Stange hält.
Dazu betont Delorko im Vorwort dezidiert seine Personalunion als Komponist und Pianist; seinen Werken liegen vielfach eigene Improvisationen zu Grunde. Diese bewegen sich offenbar ein wenig in Richtung Jazz, sodass immer wieder entsprechende Elemente durchdringen – harmonisch, melodisch und rhythmisch. Im Hinblick auf die Melodik ist keine kantable Großtat zu verzeichnen; doch die vorhandenen, eher einfachen und tendenziell kurzen Melodien wirken eingängig und einleuchtend, reißen oft schwungvoll mit und machen gute Laune.
Die Titel der insgesamt zehn Stücke (wie Bewegung, Zuversicht, Eispalast, Tanzende Wasser oder Erneuerung) sind charakterlich jeweils treffend durch die Musik illustriert, wobei der Aspekt des akustischen Wohlgefallens im Vordergrund steht. Technisch kann man den Zyklus als durchaus anspruchsvoll, aber nicht zu schwer bezeichnen. Was ihn schwer macht, ist vor allem das Tempo: Die vielen Läufe und gebrochenen Akkorde, aber auch Tonrepetitionen, großen Sprünge oder Terzengänge, beispielsweise bei Viertel = 138, sind nicht leicht zu bewältigen. Sehr hilfreich ist hier jedoch das Druckbild, das nicht nur rhythmische Finessen klar darstellt, sondern auch noch hinsichtlich des Blätterns ausgesprochen geschickt gestaltet ist – bis hin zu bewusst freigelassenen Seiten! Vereinzelt sind auch Fingersätze angegeben.
Was die Interpretation betrifft, vermitteln die Titel der Stücke erste Anregungen, außerdem wurde an Vortragszeichen nicht gespart. Dazu liegt dem Heft noch eine CD mit einer Einspielung des Zyklus durch den Komponisten bei.
Andrea Braun