Schreiber, Claudia

Solo für Clara

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Hanser, München 2016
erschienen in: üben & musizieren 2/2017 , Seite 55

Claudia Schrei­bers Jugendbuch „nach einer wahren Geschichte“ schildert die Entwicklung der ­begabten Klavierschülerin Clara von der ersten Schnupperstunde am Instrument bis zum Beginn einer hoffnungsvollen Konzertkarriere. Erzählerin ist Clara selbst. Der Kunstgriff, aus der Perspektive und in der Sprache der jungen Clara zu berichten, lässt uns einerseits in die Seele des hoch sensiblen, zwischen Selbstzweifeln und Selbstüberschätzung schwankenden Mädchens blicken. Andererseits führt der klare, manchmal respektlose Blick des Kindes auf seine Umgebung zu vielen treffenden, oft komischen Beobachtungen einer modernen Gesellschaft, in der die ritualisierte kleine Musikwelt der „Klassik“ wie ein merkwürdiges Biotop wirkt.
Da sind zunächst die Eltern: Sie beobachten das Talent ihrer Tochter am Anfang mit Skepsis und Sorge, bevor sie sie dann liebevoll durch alle Höhen und Tiefen begleiten. Es gibt die Schulkameradinnen, die am liebsten shoppen und chillen und Claras Übewut mit Befremden betrachten; die Lehrer, die sich um Claras „verlorene Kindheit“ sorgen. Da ist aber auch die einzige beste Freundin, die immer wieder Mut macht, tröstet, Clara zum Lachen bringt.
Schließlich gibt es Claras KlavierlehrerInnen: den gutwilligen, etwas flippigen Musikstudenten, mit dem die Fünfjährige lieber Nachlaufen als Klavier spielt; die erfahrene, liebevolle Privatlehrerin, die das Talent ihrer Schülerin entdeckt und fördert – und schließlich Professor Eisenstein (der Name ist Programm), ein „Meister“ alter Schule: autoritär, unbedingt Gehorsam fordernd, mit nebulösen Methoden.
Beeindruckend ist, wie sich die junge Clara gegen alle Widrigkeiten und Zweifel der Umgebung ihre künstlerische Entwicklung erkämpft. Es wird deutlich, dass „Begabung“ auch – und vielleicht vor allem – in dem Willen steckt, diese auch zu entfalten.
Das schöne gebundene Buch ist, frei von angeberischem Hochglanz, als kleines Kunstwerk gestaltet. Im Text verteilt sind QR-Codes, die zu Videos und Tonaufnahmen der Werke führen, die Clara gerade spielt. So wird das Buch zum sinnlichen Gesamterlebnis für junge LeserInnen (ab ca. 12 Jahren).
Zu erwähnen sind ein paar Ungereimtheiten im Text, die aber das Lesevergnügen nicht schmälern: So gibt es wohl keinen Klavierwettbewerb, in dem die Kandidatinnen und Kandidaten nur ein Werk spielen. Auch dass eine Neunjährige ausschließlich einen Steinway-Flügel akzeptiert, ist unwahrscheinlich. Schließlich klingt es merkwürdig, dass die ansonsten verantwortungsvolle Klavierlehrerin den unbedarften Vater mit der „technischen“ Ausbildung der Tochter beauftragt, während sie selbst sich um das „Musikalische“ kümmert. Immer­hin verdanken wir dieser Idee eine der komischsten Szenen im Buch…
Ich möchte das Buch unbedingt empfehlen: als Geschenk für ­begeisterte KlavierschülerInnen und als Diskussionsstoff für Eltern und Lehrkräfte.
Monika Twelsiek