© Ulrike Wohlwender

Mahlert, Ulrich

Circle Teaching

Eine Lernform für ­Studium und Fortbildungen

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 4/2017 , Seite 28

Circle Teaching ist eine interaktive Arbeitsform in der Hochschulausbil­dung sowie in Fortbildungen von Instrumental- und Vokalpädagogen. Es dient dazu, in einer instrumentenübergreifenden Lerngruppe Lust am Erkunden von Musik zu wecken, die Eigenarten von Musikstücken zu erschließen, Ideen zur musikalischen Darstellung und zum sinnvollen Üben zu entwickeln, die methodische Fantasie zu beflügeln und die Umsetzung von didaktischen Ideen in Unterrichtsszenarien zu üben. Das gemeinsame Explorieren von Musik­stücken im Circle Teaching vermeidet die Künstlichkeit und den Vorführ­charakter von herkömmlichen Lehrproben.

Lehrversuche von Instrumental- und VokalpädagogInnen finden in der Hochschulausbildung in der Regel im Fach „Didaktik und Methodik des Hauptfachs“ und der ihm zugeordneten Lehrpraxis statt. Vor der Lehrprobe ist oft ein Stundenentwurf einzureichen, der die Inhalte, Ziele und das beabsichtigte Vorgehen beschreibt. Abweichungen vom Plan sind tolerabel, sofern der oder die Studierende sie im Auswertungsgespräch begründen kann.
Unterrichtsentwürfe und auf ihnen basierende Lehrproben sollen die Klarheit didaktischen Planens und Handelns fördern. Freilich fühlen sich Studierende nicht immer wohl damit. Oft empfinden sie das differenzierte Vorab-formulieren-Müssen von Lehr-/Lernzielen und Vorgehensweisen als beengend. Um das Konzept umzusetzen, müssen sie spontane, in der konkreten Unterrichtssituation entstehende Einfälle zurückstellen. Dadurch wird das Agieren allzu leicht steril, gerät der Unterricht unlebendig.
Im späteren Berufsleben spielen detaillierte Stundenentwürfe kaum mehr eine Rolle. Für komplexe Arbeit mit Gruppen planen Lehrende ihre Stunden skizzenhaft. Im Übrigen ermöglicht ihnen ihr erworbenes Erfahrungswissen, im Rahmen wohl erwogener längerfristiger Ziele situationsadäquat zu unterrichten, also den oft nicht vorhersehbaren Befindlichkeiten und Gegebenheiten in einer Stunde gerecht zu werden.
Vielleicht hängt es mit nicht immer erfreulichen Erinnerungen an eine verschulte Lehrpraxis im Studium zusammen, dass im späteren Berufsleben für die alltägliche Praxis des Instrumental- und Vokalunterrichts eher wenige Fortbildungen und noch weniger kollegiale Kooperationen stattfinden. Fortbildungen beschäftigen sich zum großen Teil mit aktuellen Herausforderungen, weniger mit dem Kerngeschäft des Unterrichtens. Mir scheint, dass durch dieses Vakuum viele produktive Lernmöglichkeiten vergeben werden – nicht zuletzt auch die des instrumentenübergreifenden Arbeitens.
Im Laufe meiner Lehrtätigkeit im Hochschulfach Musikpädagogik wie auch in vielen Fortbildungen an Musikschulen habe ich mit verschiedenen Settings und Modalitäten von unterrichtspraktischen Übungen experimentiert. Eine besonders ergiebige Form möchte ich in diesem Artikel beschreiben. Ich nenne sie Circle Teaching. Das Wort „Circle“ meint hier einen „Zirkel“ von TeilnehmerInnen einer kreisartig angeordneten pädagogischen Praxisgemeinschaft. Sie besteht aus Musizierenden, Unterrichtenden und Beobachtenden. Die Nicht-Musizierenden alternieren im pädagogischen Agieren und Wahrnehmen.
Circle Teaching hat sich entwickelt als Alternative zu Lehrproben, die auf Planungsvermögen, Stringenz der Durchführung und Zielerreichung ausgerichtet sind und an deren Ende die Bewertung der gezeigten Lehrleistung durch den Ausbildenden steht. Im Circle Teaching geht es nicht in erster Linie um das Planen und Verwirklichen eines bestimmten didaktischen Zielprodukts. Circle Teaching will vor allem explorativen Geist im Umgang mit Musik entwickeln und didaktische Fantasie anregen. Statt unter Druck Leistungen zu präsentieren und bewerten lassen zu müssen, zielt Circle Teaching auf ein Lernen durch Selbst- und Fremderfahrung im Rahmen einer pädagogischen Werkstatt. Das Vorgehen nutzt die in musikpädagogischen Lehrveranstaltungen und Fortbildungen gegebene Vielfalt der Instrumente, die die Teilnehmer spielen. Dadurch wird der in der Fachdidaktik auf das eigene Instrument begrenzte Horizont ausgeweitet.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2017.