Vormann-Sauer, Martina

Die Singstimme der Frau

Anatomie und Physiologie – Technik und Strategien ­klassischen Singens

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Wißner, Augsburg 2017
erschienen in: üben & musizieren 4/2017 , Seite 51

Die Sängerin, promovierte Stimm­wissenschaftlerin und Gesangspädagogin Martina Vormann-Sauer hat ein Lehrbuch über die weibliche Stimme geschrieben. Eine der größten Innovationen dürfte hierbei ihr fundiert erforschter Ansatz sein, dass es fünf Registerbereiche gibt – und nicht wie meistens angenommen zwei bis drei. Ebenso wie in all den weiteren Kapiteln erarbeitet sie sich ihre Thesen und Behauptungen anhand zahlreicher Zitate aus diversen Lehrwerken über die menschliche Stimme, die mitunter etwas anstrengend zu lesen sind und nicht gerade zum Lesefluss beitragen. Viele Skizzen, Tabellen und anschauliche Abbildungen tragen dazu bei, den doch eher trockenen Sprachstil aufzulockern.
Das Buch ist in zwei große Abschnitte gegliedert: erstens Anatomie, Physiologie und Akustik der Singstimme sowie zweitens eigene empirische Untersuchungen. In Teil 1 wird intensiv auf die Atmung eingegangen, weiter werden Aufbau und Funktionsweise der einzelnen Stimmorgane dargestellt, wobei es hier um Begrifflichkeiten wie Extrazelluläre Matrix, die verschiedenen Faszien, funktionelle Aspekte des Bindegewebes, die Rolle der Muskelspindeln und mir als Sängerin bislang Unbekanntem wie Myofasziale Fortsätze geht. Die nächsten Unterpunkte handeln vom Regelkreislauf der Primärschallerzeugung, von Stimmlippenschwingung und Phonations­vorgang, Vokaltrakt, Ansatzräumen und Registerdefinition.
Auch wenn das alles sehr abgehoben klingt, weist Vormann-Sauer mitunter auf eher praktische, für die Sängerin nachvollziehbare und in der Praxis anwendbare Zusammenhänge hin. Jedes Kapitel mündet in eine Zusammenfassung des zuvor Dargelegten: all denjenigen zu empfehlen, die ihr Wissenspektrum zwar erweitern, jedoch nicht in Details gehen wollen.
Die weitaus interessanteren Aspekte hält der zweite Teil bereit: Hier wurden fünf professionelle Sängerinnen in sämtlichen Funktionen ihres Stimmapparats geprüft. Voraussetzung war, dass die Sängerinnen tatsächlich und viel singen und dies in gesunder, stimmerhaltender Art und Weise, nachdem sie zuvor ein Studium durchlaufen hatten. Konkrete Übungen sind hier allerdings nicht zu finden.
An dieser Stelle stellt sich die Frage, welche Sängerin und welcher Sänger solch eine wissenschaftliche Abhandlung lesen wird, die auch für ambitionierte GesangspädagogInnen eher zur schweren Kost gehört. Einen tiefen Einblick kann man sich hier wohl verschaffen, der die eine oder andere praktische Herangehensweise sicherlich positiv beeinflussen wird. Doch das Singen an sich geht weit über eine solche Abhandlung hinaus. Ein reines, gut recherchiertes und klar aufgebautes, wirklich fundiertes Forschungswerk ist hier erschienen, das sich etwas gewollt der Untersuchung der vernachlässigten weiblichen Stimme widmet.
Kathrin Feldmann