Mauersberger, Marlis

Crashkurs Formenlehre

Formen – Gattungen – Strukturen im Überblick, mit DVD

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2015
erschienen in: üben & musizieren 2/2016 , Seite 44

In einem Zeitalter effizienter Beschleunigung sind Kürze bei der Wissensvermittlung und Verständlichkeit sehr gefragte Kompetenzen. Ein Crashkurs in musikalischer Formenlehre dürfte daher neben den anderen Editionen der von Schott herausgegebenen Reihe zu Musiklehre, Musikgeschichte und Musikproduktion eine willkommene Ergänzung bei der Vermittlung musikalischen Wissens sein, das sich nicht in Einzelheiten verliert, sondern kompakt einen hilfreichen Überblick über die Erscheinungsformen der Musik bietet.
Dies ist der formulierte Anspruch des schmalen Bändchens, das auf engstem Raum die historischen Entwicklungen zusammendrängt und einen systematischen Einblick gewährt. Von den einfachsten Bausteinen der Musik (Motiv, Thema), ihren Parametern (Melodik, Harmonik etc.) und Sinnzusammenhang durch Prinzipien wie Variation und Kontrast als „Annäherung“ an die Formenwelt ausgehend, arbeitet das Buch die einschlägigen Formen von der Vokalmusik wie der Motette und der Oper über das Rezitativ und die Arie bis zu den selbstständigen Entwicklungsformen der Instrumentalmusik wie Sonate und Konzert ab.
Lobenswert ist die Funktionsbestimmung musikalischer Formen in Hinsicht auf ihre vermittelnde Bedeutung der Hörkonventionen, derzufolge Komponisten mit den historisch vermittelten Modellen arbeiten und die Erwartungen der Hörer kreativ durchkreuzen. Dabei wird von ­einem historischen Prozess des Auslotens der Formen ausgegangen, wonach sich eine musikalische Form erschöpft, wenn sie an ihre Grenzen gestoßen ist. So hilfreich derartige Sinngebungen im ersten Moment des Verstehensprozesses auch sind, sie entwerfen ein systematisches Modell, das sich historisch kaum nachweisen lässt.
Hat der Crashkurs in historischem Tiefgang wenig zu bieten, so stechen Aspekte wie die Breite der besprochenen Phänomene positiv hervor. Hilfreich sind die zahlreichen Grafiken und Diagramme, die den Verstehensprozess erleichtern. Für das schnelle Nachschlagen hilft das farbige Absetzen der einzelnen Kapitel, das schon von außen sichtbar ist. Anschaulich ist auch die beigefügte DVD, die mit – gelegentlich zu ausführlichen und zu sehr auf deutsche Musikgeschichte fokussierten – Beispielen die Aspekte Thema und Motiv, Fuge, Suite, Sonate, Concerto und Oper vertieft.
Deutlich zu kurz kommen allerdings Phänomene der Volks- und Unterhaltungsmusik, der Popmusik und des Jazz sowie Fragen zu neuer Musik. Dem „Popsong“ wird nur eine Seite gewidmet, auf konkrete Beispiele wird ganz verzichtet. Das irritiert und zeigt die Grenzen des Büchleins auf. Es operiert innovativ und zeitgemäß auf der Ebene der Anschaulichkeit, verhält sich jedoch konventionell und reduzierend beim Inhalt. Das dürfte allerdings bei einem Crashkurs, der auf ein schnelles Verstehen und weniger auf ein kreatives Mitdenken abhebt, bereits so angelegt sein.
Steffen A. Schmidt