Losert, Martin

Die Kunst zu unterrichten

Grundlagen der Instrumental- und Gesangspädagogik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2015
erschienen in: üben & musizieren 2/2016 , Seite 48

Ähnlich der Kunst, glücklich zu leben, die ein Leben lang geübt sein will, ist auch die Kunst zu unterrichten keine bloße Rezeptsammlung, vielmehr eine Haltung, die eines Handwerks, das gelernt, geübt und stets verfeinert werden muss, bedarf, also ein lebenslanges Streben.
So lautet das Eingangsstatement zu Die Kunst zu unterrichten, Martin Loserts musikpädagogisches Grundlagenwerk, das in der Reihe „üben & musizieren – texte zur instrumentalpädagogik“ bei Schott erschienen ist. Losert, Saxofonist und Professor am Mozarteum in Salzburg, bündelt hier Erfahrungen und Erkenntnisse aus rund zwanzig Jahren Unterrichtserfahrung als Instrumentallehrer und Hochschuldozent.
Losert folgt in seiner Einleitung der Übertragung des Expertisemodells von Herbert Dreyfus auf die Pädagogik durch Natalia Ardila-Mantilla und skizziert ihre fünf Stufen der Professionalisierung pädagogischer Kompetenzen: In der ersten Stufe benötigt der Unterrichtsnovize klare, vorgegebene Regeln, es folgt in der zweiten Stufe das Erkennen von Mustern und sich wiederholenden Situationen. Die Beherrschung des Handwerks inklusive der Reflexionsfähigkeit bildet Stufe drei, bevor der gewandte Könner in der vierten Stufe über ein breites Spektrum an Erfahrungen und Wissen verfügt: Nun wird analytisches Wahrnehmen von einem ganzheitlichen Erkennen ersetzt. Schließlich handelt der Experte in der fünften Stufe des Expertisemodells, mit allem ausgerüstet, als wahrer Künstler völlig intuitiv, Entscheidungen, ja Planungen seien in dieser Stufe überflüssig. Das hohe Ziel, die Kunst zu unterrichten, ist nun erreicht.
Die Kapitelgliederung folgt im Weiteren unterschiedlichen kons­tituierenden Gelingensfaktoren, unter anderem „Methoden und Medien“, „Künstlerische Fachkompetenz der Lehrenden“, „Vor­erfahrungen und Voraussetzungen von Unterricht“ sowie „Kommunikation zwischen Lehrer und Schüler“. Die wesentlichen Kernthesen zum gelingenden Unterricht fasst Losert in seinen Schlussgedanken zusammen. Er benennt hier die wirklich individuelle Förderung des Schülers, eine sinnstiftende Kommunika­tion zwischen Lehrer und Schüler, die beide zu Partnern auf ­Augenhöhe macht, die Stärkung der Selbstkompetenz, freilich auch die Fähigkeit, den Schüler zu loben und zu ermutigen.
Doch, so beobachtet Losert, der musikpädagogische Alltag sieht oft ganz anders aus. Gerade Letzteres müsste eigentlich früh erlerntes Rüstzeug jedes Pädagogen, jeder Pädagogin sein. Leider ist dies jedoch bis heute nicht durchgehend selbstverständlich im Alltag des Musikunterrichts anzutreffen. Losert beobachtet in der täglichen Praxis sowie anhand von Video-Unterrichtsforschungsprojekten, dass Lehrerinnen und Lehrer zu oft dozierend auftreten, die Partnerschaft verloren geht, der Schüler oder die Schülerin kaum zu Wort kommt oder eine wirklich dramaturgische Gestaltung des Unterrichts kaum stattfindet.
Es mag aufwendig für den Lehrer sein, doch der Schlüssel für die wirkliche Kunst des Unterrichtens basiert stets auf der Analyse der vorhergehenden Stunde und ist letztendlich eine persönliche, auf den Schüler eingehende und angemessene Lehr-Lern-Situation, die nicht selten die Gestaltung eines ganz individuellen Typs von Unterrichtsstunde für jeden Schüler, jede Schülerin erfordert. Hier kommt Losert zu seinem Eingangsstatement zurück: Unterrichten aus dem Rezeptkasten ist kaum möglich und funktioniert nur selten.
Vom Bemühen also, sich stets weiter zu verbessern und neue Wege zu suchen, kann Losert gute LehrerInnen nicht befreien. Oder anders gesagt: „Die Kunst zu unterrichten ist […] kein Besitz, sondern nur ein fortwährendes Streben.“ Dabei hilft, neugierig zu bleiben, sich immer auch mit bisher unbekannten Methoden zu beschäftigen, sich regelmäßig mit Literaturstudium zu befassen und täglich selbst zu üben. Und natürlich, das vorliegende, anregend geschriebene Buch zur Lektüre zu nehmen!
Uwe Sandvoß