Hiller, Wilfried

Kosmos

34 Klavierminiaturen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2015
erschienen in: üben & musizieren 3/2016 , Seite 58

Der vor allem durch Musiktheater bekannte Münchner Komponist Wilfried Hiller (*1941) hat mit dem Klavierheft Kosmos 34 sehr anregende Miniaturen auf knapp 50 gedruckten Seiten veröffentlicht. Antje Tesche-Mentzen schreibt als Vorbemerkung: „Der Zyklus ist eine Aufforderung, sich anregen zu lassen durch Bilder, Texte und musika­lische Gedanken, um sie weiterzuspinnen im eigenen Spiel.“ Hierzu hat der Komponist zahlreiche Texte von Autoren wie Ovid, Shakespeare, Flemmer und vor allem Rilke eingefügt, die zum Nachdenken anregen und den eigenen Assoziationen viel Spielraum geben.
Die meisten der kurzen Stücke sind leicht zu spielen, wenden sich aber in der Thematik eher an Erwachsene. Vier Kompositionen – Venezianische Skizze 1 und 2 sowie Orpheus 1 und 2 – sind für zwei Klaviere. Einen virtuosen pianistischen Zugriff verlangt das umfangreichste Stück Orgheluse, das der Komponist selbst als „wilde, dahinbrausende Toccata mit großen Intervallsprüngen, perlenden Läufen und jubilierenden Akkorden“ bezeichnet.
Bei der eher zart zu spielenden Miniatur Das große Lächeln verwendet Hiller eine Melodie aus seiner gleichnamigen Komposi­tion für Diskant-Zither, Schlagzeug und Streicher und im darauf folgenden Charakterstück Nachklänge, welches dem Minnesänger Oswald von Wolkenstein gewidmet ist, vermeint man in den repetierenden Tonbewegungen u. a. den Klang eines Hackbretts zu hören.
Der Komponist verwendet zumeist eingängige und sehr ansprechende Melodien. Das einfach zu spielende Nachtlied für Momo oder die volksliedhafte Klage sind Beispiele dafür. Sehr reizvoll ist ein Walzer im Fünfachtel-Takt, der Pianistin Alice Herz-Sommer gewidmet.
In Slendro und Melodie in weiß sind Nachklänge eines Aufenthalts des Komponisten auf Bali zu hören. Beim ausdrucksvollen Gesang der Lotusblume kann ­zusätzlich das Tenuto-Pedal für den Orgelpunkt E eingesetzt werden.
Viele der Miniaturen sind ohne Taktstriche notiert, was zu einem freien Spiel anregt. Bei dieser Notationsform stellt sich aber häufiger die Frage nach den Vorzeichenwiederholungen, die nicht immer gut gelöst wurde. Hier muss beim Spielen manchmal aus dem Zusammenhang ergänzt werden. Da zudem Fingersätze, zumeist Pedalangaben und auch eine didaktische Ordnung fehlen, ist die Sammlung Kosmos im Unterricht nur bedingt einsetzbar. Verlag und Komponist hätten diesbezüglich einiges ergänzen können. Auch biografische Angaben zum Komponisten fehlen. Dafür sind aber seine Anregungen zu den Stücken im Nachwort sehr interessant zu lesen.
Vor allem erwachsenen KlavierspielerInnen können die Miniaturen reichhaltige Anregungen zum Improvisieren geben. Wilfried Hiller baut mit seinem Zyk­lus vielfältige Brücken zwischen den Künsten und regt zu einem fantasievollen Umgang mit seiner Musik an.
Christoph J. Keller