Martland, Steve

Mr Anderson’s Pavane

arranged for two pianos

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, London 2015
erschienen in: üben & musizieren 3/2016 , Seite 60

Bearbeitungen haben eine lange Tradition; insbesondere Klavierfassungen von Orchesterwerken für den Hausgebrauch, für Proben oder auch Aufführungen im kleineren Rahmen gibt es zuhauf. Oftmals haben die Komponisten selbst für die entsprechenden Arrangements Sorge getragen, sei es als Klavierauszug oder gleich als konzerttaugliche Klavierfassung.
In diesem Kontext darf man auch die Ausgabe von Steve Martlands Komposition Mr Anderson’s Pavane sehen, die zunächst 1994 für Instrumentalensemble entstanden und 1998 vom Komponisten für die Aufführung an zwei Klavieren arrangiert worden ist. Martland gilt als einer der bedeutendsten britischen Komponisten seiner Zeit; der unkonventionelle Künstler beeinflusste mit seiner kraftvollen und sehr dynamischen Musik Komponisten und Musiker nachhaltig.
Die Pavane ist ein langsamer, einfacher Schreittanz, der seine Blüte im 16. und 17. Jahrhundert erlebte und in der Folge als Tanz vollkommen aus der Mode kam, als instrumentale Kunstform jedoch immer wieder – vornehmlich in Suiten – auftauchte. Martland knüpft in seiner Komposi­tion stilistisch an das historische Vorbild klar erkennbar an, verwendet aber harmonisch eher Klangidiome des Jazz und der Moderne. Rhythmisch durchbricht und belebt er die Grundform immer wieder durch Taktwechsel, Synkopen und kurze, Bläsereinwürfen gleichende Motive, die ihre Wurzeln eher im Jazz haben.
Die Klavierbearbeitung stellt die beiden PianistInnen auf den ersten Blick nicht vor sonderlich große Herausforderungen; man sollte allerdings nicht zu kleine Hände haben, um all die eher statisch eingesetzten, vom Charakter damit schlecht gebrochen arrangierbaren Nonen greifen zu können. Die eigentliche Schwierigkeit der vorliegenden Fassung liegt eher in den Klangeigenschaften des Klaviertons verborgen: Die ursprüngliche Fassung für Instrumentalensemble legt die lang auszuhaltenden Klangfelder in die Bläserstimmen. Nun können Bläser bekanntlich den Ton bis zum Ende durchhalten; Intensität und Farbe müssen nicht wechseln, sofern der Spieler es nicht will.
Die gleiche Faktur auf das Klavier zu übertragen, bringt aber einen deutlichen Unterschied mit sich, da der Klavierton sogleich nach dem Anschlag zu verklingen beginnt und sich damit Farbe und Intensität sofort wandeln. Hier nun dem mit Klangfarben spielenden Werk auch auf dem Klavier gerecht zu werden, wird die eigentliche Herausforderung sein. Offensichtlich sah Martland in diesem Umstand kein Problem, auch lässt die rhythmische Struktur genügend Freiraum für die PianistInnen. Doch das statische Element dieser Komposition erfordert die Fä­higkeit zum feinstnervigen Ausloten unterschiedlicher Klangfarben und damit weit fortgeschrittene InterpretInnen.
Mr Anderson’s Pavane ist sicherlich ein spannendes Vortragsstück, das aber entgegen dem übersichtlichen Notenbild sehr viel Konzentration und eine sehr differenzierte Anschlagstechnik von den SpielerInnen erfordert.
Christina Humenberger