Terhag, Jürgen

Live-Arrangement im Gruppenunterricht

Arrangieren und Improvisieren mit Stimme und Instrument

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 5/2014 , Seite 18

Versteht man den Instrumental- und Gesangsunterricht so umfassend, dass er Kindern, Jugendlichen und Erwach­senen durch ihre Stimme bzw. ihr Instrument den Weg zur Musik ebnen soll, gehören die in diesem Heft angesprochenen Bereiche unverzichtbar dazu. Durch die vielfach sich überschneidenden Themenfelder Arrangement, Komposition und Improvisation gerät der Gruppenunter­richt in den musikpädagogischen Fokus, denn diese Bereiche lassen sich in der Gruppe wesentlich effektiver vermitteln als im Einzelunterricht.

Es ist grundsätzlich sinnvoll, den Einzel­unterricht durch Gruppenunterricht zu ergänzen. Die Entscheidung, den Unterricht nur noch in Gruppen zu erteilen, ist jedoch aus vielerlei Gründen problematisch. Die Zuwendung einer einzigen Lehrperson im Einzel­unterricht ist zugegebenermaßen extrem aufwändig, aber für zahlreiche Bereiche des musikalischen Lernens unersetzbar. Quer­flöte, E-Bass, Geige oder Popgesang ausschließlich in Kleingruppen zu unterrichten, wird dann problematisch, wenn bei fünf, vier oder gar nur zwei Lernenden Einzelunterricht-Methoden angewendet werden, was im Extremfall zur Zerstückelung einer Unterrichtsstunde in fünfzehnminütige Einheiten führt.
Hat eine Gruppe dagegen fünfzehn, zwanzig oder mehr Mitglieder, wird der Unterricht nicht nur pädagogisch und musikalisch, sondern auch ökonomisch sinnvoll. Daher sollte kein Fach ausschließlich einzeln unterrichtet werden, denn das Musizieren und Lernen in der Großgruppe ist durch nichts zu ersetzen. Natürlich wurden Kolleginnen und Kollegen, die vor fünf Jahren oder früher die Hochschulen verlassen haben, auf diese Form des Unterrichtens nicht vorbereitet. Mittlerweile haben sich jedoch Methoden für den Gruppenunterricht etabliert, nicht zuletzt durch neue Kooperationsmöglichkeiten zwischen Musikschule und allgemein bildender Schule. So sind viele Methoden und Inhalte für das Klassenmusizieren mit kleinen Modifikationen auf den Gruppenunterricht übertragbar. Eine dieser Möglichkeiten stellt das hier vorgestellte Live-Arrangement1 dar, das im Folgenden auf den Gruppenunterricht übertragen werden soll.

Was ist ein Live-Arrangement?

Das Live-Arrangement verbindet Komposi­tions- und Arrangiertechnik mit den pädagogischen Erfordernissen des Unterrichtsalltags. Hierbei werden Musikstücke für unterschiedlichste Zielgruppen während der Einstudierung entwickelt und permanent so variiert, dass sie in allen Unterrichtsphasen der unterschiedlichen Leistungsfähigkeit in einer heterogenen Lerngruppe gerecht werden. Dazu wird ein Musikstück in der Unterrichts- oder Probensituation „live“ erfunden (komponiert) und immer wieder neu an die unterschiedlichen Fähigkeiten und Bedürfnisse einer bestimmten Lerngruppe angepasst (arrangiert), womit der Übergang zwischen einem Live-Arrangement und einer angeleiteten Gruppenimprovisation fließend ist.
Auf diese Weise entsteht beispielsweise aus einem Notenblatt mit Melodiestimme und Akkordsymbolen ein Arrangement für den Gruppenunterricht in einer ungewöhnlichen oder häufig wechselnden Besetzung, es werden musiktheoretische Grundkenntnisse spielerisch erfahrbar gemacht, die Unterrichtsstunde lässt sich stufenlos und äußerst differenziert vom Warmup2 bis zur Erarbeitung eines kompletten Musikstücks gestalten – und nicht zuletzt können Live-Arrangements bis zur aufführungsreifen Performance ausgebaut werden.

1 Jürgen Terhag/Jörn-Kalle Winter: Live-Arrangement. Vom Pattern zur Performance, Mainz 2011.
2 Jürgen Terhag: Warmups. Musikalische Übungen für Kinder, Jugendliche und Erwachsene, Mainz 2009.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2014.