Rüdiger, Wolfgang (Hg.)

Musikvermittlung – wozu?

Umrisse und Perspektiven eines jungen Arbeitsfeldes

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Schott, Mainz 2014
erschienen in: üben & musizieren 5/2014 , Seite 51

Die Riege der Musikvermittler, die der Herausgeber im Juni 2013 zu einem Symposion an der Düsseldorfer Robert Schumann Hochschule versammelt hat, folgt dem hohen Anspruch, „die Verbindung von Musik und Mensch, die aus vielerlei Gründen zerbrochen ist, ansatzweise wiederherzustellen“. Ihr idealistisches Ziel ist es, „persönlich und sozial bedeutsame ästhetische Erfahrungen mit Musik“ zu ermöglichen. Damit stellt sie eine heutzutage zweischneidige Forderung: Die meisten wollen zwar etwas selbst machen und erleben, aber nur wenige sind bereit, sich kritisch mit dem Erlebten auseinanderzusetzen.
Reinhart von Gutzeit fasst Aufgaben, Voraussetzungen und Möglichkeiten der Musikvermittlung zusammen, veranschaulicht durch Praxisbeispiele. Er kommt zu der vorsichtigen Einschätzung, dass nur die geduldige, sorgfältige Arbeit vieler Veränderungen im Musikleben bewirken kann.
Die Musikvermittlung erscheint als eine Bewegung der kleinen Schritte, die von einer „Community of Practice“ in Gang gehalten wird: Diesen soziologischen Begriff nennt Constanze Wimmer im Zusammenhang mit der Vorstellung ihrer Studie Exchange – Die Kunst, Musik zu vermitteln. Die Studie betrieb Feldforschung, um die praktische Arbeit von Musikvermittlern qualitativ zu beurteilen und zu verbessern – eine wissenschaftliche Betrachtung seit den Anfängen fehlt. So ist unklar, ob die Kinder, die in den 1990er Jahren erste Kinderkonzerte besucht haben, häufiger klassische Musik hören.
Barbara Stiller zieht in ihrem „Versuch einer kritischen Chronik“ den Schluss: „Musikvermittlung deshalb, weil sie prädestiniert zu sein scheint, eine vielfältige Auseinandersetzung mit Musik anzuregen, die allen Menschen, ungeachtet ihrer Herkunft, ihres Bildungsstands und ihrer Affinität zum aktiven Musizieren, schlichtweg gut tut.“
Michael Schmidt, Koordinator des Klassikprogramms beim Bayerischen Rundfunk, weist auf die wichtige Unterscheidung hin zwischen der Fähigkeit, sich der medialen Möglichkeiten zu bedienen, und dem Erlernen von kreativen und reflexiven Fertigkeiten. Genau dieser Unterschied entscheidet darüber, ob der Anspruch der Musikvermittlung erfüllt werden kann oder die Angebote zu Marketinginst­rumenten verkommen.
Holger Noltze streut mit journalistischem Schwung das nötige Salz in die Suppe. Er warnt vor der selbstzufriedenen Vereinfachung, wenn sie nicht Ausgangspunkt zu wachsender Komplexität ist, zumal Komplexität und ein Rest von Unerklärlichkeit ein Wesenszug von Kunst sind. Er erinnert an die unnötige Verengung der Musikvermittlung auf die Zielgruppe der Kinder und Jugendlichen und fordert eine Musikvermittlung für alle, insbesondere Erwachsene und Nicht-Konzertgänger.
So sympathisch der Band auch ist, enthält er für praktizierende Musikvermittler wenig Neues, weshalb man sich fragt: für wen?
Iris Winkler