Bach, Carl Philipp Emanuel

Werke für Violine und Cembalo

2 Bände, hg. von Jochen Reutter

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Wiener Urtext Edition, Wien 2014
erschienen in: üben & musizieren 5/2014 , Seite 56

Carl Philipp Emanuel Bachs Kompositionen für Violine und Cembalo gehören jener Sonderform der Triosonate an, bei welcher der Part eines der beiden Diskantinstrumente von der rechten Hand des obligat agierenden Tasteninstruments übernommen, der dreistimmige Satz also auf zwei Instrumente verteilt wird. Die vorliegende Edi­tion enthält einerseits sämtliche überlieferten Cembalo-Violin-Fassungen Bach’scher Triokompositionen: Ältestes Zeugnis hierfür ist die Anfang der 1730er Jahre entstandene, aber erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts entdeckte Sonate d-Moll BWV 1036, die – zunächst dem Vater zugeschrieben – 1747 eine subs­tanzielle Überarbeitung zur Sonate d-Moll Wq 145 erfuhr, was bei der Gegenüberstellung beider Versionen einzigartige Einblicke in die Veränderung von Bachs Stilistik erlaubt. Ihr schließen sich die gleichfalls 1747 modifizierten Trios Wq 143-147 an, gefolgt von den vier Sonaten Wq 71-74.
Andererseits umfasst die Ausgabe aber auch die vier vermutlich als Originalwerke konzipierten großen Sonaten Wq 75 78 aus dem Jahr 1763, die den eigent­lichen Höhepunkt von Bachs Schaffen für obligates Tasten­instrument und Violine markieren, sowie die beiden erst nachträglich um einen Violinpart ergänzten und damit dem Genre der violinbegleiteten Clavier­sonate zugehörenden Einzelwerke aus den 1780er Jahren, das Arioso Wq 79 (1781) und die Fantasie C. P. E. Bachs Empfindungen (1787).
Für seine lobenswerte Edition hat Jochen Reutter unterschied­liche Quellen und Fassungen der Kompositionen sorgfältig gegeneinander abgewogen und die Entscheidungen für bestimmte Textvarianten im beigefügten Kritischen Bericht ausführlich dokumentiert. Sein materialreiches Vorwort vermittelt nicht nur wichtige Einblicke in die Überlieferung der Werke und ihrer abweichenden Versionen, sondern berührt auch die Frage nach der Besetzung des Tasteninstruments.
Da sich im veröffentlichten Notentext mit Ausnahme der Aussetzung einiger bezifferter Basspassagen keinerlei praktische Ausführungshinweise finden und auch im Violinpart konsequent auf Hinweise zu Fingersatz und Bogenführung verzichtet wird, richtet sich die Ausgabe vor allem an erfahrene MusikerInnen. Eine wertvolle Hilfestellung liefern allerdings die von Dagmar Glüxam beigesteuerten Hinweise zur Interpretation der Werke und zur Erschließung ihres Affektgehalts: Unter Bezug auf zeitgenössische Quellen umreißt die Autorin, wie einzelne satztechnische Elemente in unterschiedlichen Graden der Komplexität miteinander in Beziehung treten und dadurch jeweils das Affektgefüge der Musik kons­tituieren, was wiederum Konsequenzen für die Umsetzung musikalischer Details mit sich bringt. Verbunden ist dies zudem mit Erläuterungen zu den auftretenden Verzierungen sowie mit einzelnen Vorschlägen zur Ausführung von Kadenzen.
Stefan Drees