Hofmann, Felizitas

Der Zehntklässler dirigiert Telemann

Das Arts Performance Center in Namibia bietet vielen Kindern nicht nur kostenlosen Instrumentalunterricht, sondern ein Zuhause

Rubrik: Bericht
erschienen in: üben & musizieren 1/2014 , Seite 32

Es ist heiß, 35 Grad im Schatten. Ich bin in Tsumeb/Namibia und unterrichte Fachdidaktik für Blockflöte und MFE. Lis Hidber, eine Schweizer Musikerin, hat schon 1983 hier mit dem Aufbau des Arts Performance Center (APC) begonnen. Bis auf eine mehrjährige Unterbrechung besteht es seit dieser Zeit und ist landesweit die einzige Einrichtung, in der Kinder kostenfrei Instrumentalunterricht erhalten.
Namibia hat verglichen mit anderen afrikanischen Ländern eine funktionierende Infrastruktur und stabile politische Verhältnisse. Ein großes Problem allerdings ist das starke Bevölkerungswachstum: ein Anstieg seit der Unabhängigkeit 1989 von ca. 1,3 Millionen auf 2,3 Millionen. Es ist schwierig, allen schulpflichtigen Kindern eine angemessene Bildung zukommen zu lassen. Namibias Wirtschaft beruht auf Bodenschätzen und Tourismus. Dort findet nur eine vergleichsweise kleine Anzahl von Fachkräften Arbeit. Für Gering-Qualifizierte bleiben wenige Verdienstmöglichkeiten. So besteht die namibische Gesellschaft aus einer dünnen Oberschicht, einer kleineren Mittelschicht und einer großen Gruppe von Menschen ohne Einkommen und wenig Bildung. Viele Kinder kommen in einem auf Mindeststandards ausgerichteten Schulsystem nicht zum Zuge. Dennoch ist dieser jungen Nation (1989 erkämpfte sich das Land die Unabhängigkeit von Südafrika) kein Vorwurf zu machen, bemüht sie sich doch redlich um Beschulung der rasant wachsenden Zahl an Kindern.
Welch pädagogischer Gegenentwurf: die Musikschule am Nachmittag! Individuelle Förderung, eine Kultur der Mitverantwortung und des Austauschs sind das Konzept dieser inzwischen landesweit bekannten Einrichtung. Derzeit werden MFE, Trompete, Klarinette, Cello, Geige, Blockflöte, Harfe, Gitarre und Keyboard unterrichtet. Der geregelte Tagesablauf ist Teil des Konzepts.
8 Uhr. Die MusiklehrerInnen treffen sich im Garten, um den herum reetgedeckte Rundhütten gebaut sind. Wie hier oft üblich wird nicht ein mehrstöckiges Haus gebaut, sondern, je nach Finanzen, eine Hütte nach der anderen hinzugefügt. Jede Hütte beherbergt einen Unterrichtsraum. Alles gruppiert sich um die gut ausgerüstete Freiluftbühne.
8.30 Uhr. Übezeit für Lehrkräfte: Aus den Hütten ertönt eine Kakofonie aus vertrauten Klängen deutschsprachiger Unterrichtsliteratur oder europäischer Kunstmusik. Die LehrerInnen sind junge Erwachsene zwischen 18 und 30 Jahren, sie waren selbst Schüler hier und stammen wie diese aus einem der rein schwarzen Außenbezirke, den Armenvierteln der kleinen Kreisstadt. Sie spielen auf einem Niveau, das nach deutschen Maßstäben einem Mittelstufenschüler entspricht.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 1/2014.