Gershwin, George

Rhapsody in Blue

für Holzbläserquintett, bearb. von Joachim Linckelmann, Partitur und Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2013
erschienen in: üben & musizieren 1/2014 , Seite 58

Rhapsody in Blue ohne Klavier? Ist so etwas überhaupt vorstellbar? Joachim Linckelmann hat sich etwas getraut und George Gershwins Dauerbrenner in ein völlig neues und gänzlich unerwartetes Gewand gesteckt. Fünf Bläser sollen nun also einen Pianisten und ein ganzes Sinfonieorchester samt Jazz-Combo ersetzen. Und mehr als das: Flöte, Oboe, Klarinette, Horn und Fagott sollen zeigen, dass aus Gersh­wins 1924 uraufgeführtem Hit ein überzeugendes Stück Kammermusik zu machen ist.
Doch Schritt für Schritt. Joachim Linckelmann hat sich in seiner bei Bärenreiter veröffentlichten Bearbeitung zunächst einmal an der kompositorischen „Urfassung“, jener mit zwei Klavieren, orientiert. Diese wurde von Ferde Grofé unter Zeitdruck und in nur wenigen Tagen vor der Uraufführung in der Aeolian Hall in die heute fast ausschließlich gespielte Orchesterversion übertragen. Und da Gershwin in der Begleit-Klavierstimme bereits eindeutige Orchestrierungshinweise niedergeschrieben hatte, kann der heutige Bearbeiter quasi denselben Weg noch einmal gehen, ohne zunächst die Orchesterfassung ausdünnen zu müssen.
Schaut man sich das Notenbild der Partitur an, so würde man auf den ersten Blick kaum darauf kommen, es mit einem verwandelten „Klavierkonzert“ zu tun zu haben. Gershwins extrem gut durchstrukturiertes Werk, die vielen kurzen, kontrastierenden Passagen, die gesanglichen Linien scheinen wie gemacht für ein Bläserquintett. Und da ja schon die von Gershwin vorgegebenen Instrumentalfarben sehr stark auf Bläserkolorit setzen, mag die Transkription noch eine Spur überzeugender gelingen. Von der Eröffnung mit Klarinet­tenglissando bis zum chorisch ausgreifenden „Grandioso“ kurz vor Schluss gibt es genug Argumente für Joachim Linckelmanns Übertragung.
Eines soll dabei natürlich keinesfalls verschwiegen werden: Um George Gershwins Rhapsody in Blue mit einem Bläserquintett überzeugend auf die Bühne bringen zu können, braucht es schon überaus versierte MusikerInnen. Der hohe Schwierigkeitsgrad der fünf Einzelstimmen und die erheblichen Anforderungen an ein sehr geschmeidiges und reaktionsschnelles Zusammenspiel des Quintetts machen diese Bearbeitung zum idealen Virtuosenstück, das nur den winzigen Nachteil hat, als Zugabe zu einem Bläserquintettabend ein klein wenig zu lang zu sein.
Daniel Knödler