Gutzeit, Reinhart von

Was für ein Typ?

Welche Art Lehrende brauchen Musik(hoch)schulen und wie können sie gefunden werden?

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 6/2013 , Seite 08

Hochschulstrukturen und Studienpläne sind wichtig für den Studienerfolg. Aber sie stehen oft auf geduldigem Papier. In ihrer Bedeutung für die Studie­renden werden sie von einem anderen Thema weit übertroffen: von der Frage nach den Lehrenden. Wen engagiert die Hochschule, wie engagieren sich die Engagierten und wie “spielen sie zusammen”? Das ist auch eine Frage der Strukturen, aber vor allem der menschlichen Qualitäten. Und lässt sich sehr gut auf die Verhältnisse an Musikschulen übertragen.

Die Lehrenden sind das Kapital einer Hochschule. Darum sind Berufungs- und Bewerbungsverfahren zentrale Ereignisse im Leben von Musikhochschulen. Wie nehmen Berufungskommissionen ihre Aufgabe wahr? Meist mit großem Ernst und viel Zeitaufwand. Und dennoch befriedigen die Ergebnisse nicht immer. Das liegt nicht nur an den Fährnissen des Alltags, auf die am Schluss dieses Beitrags eingegangen wird, sondern auch am Mangel einer in Kommissionen selten diskutierten und kaum je geklärten Zielvorstellung: Nach welchem Ideal suchen wir? In welchem Verhältnis sollten künstlerische und pädagogische Fähigkeiten zueinander ste­hen? Welche sonstigen Kompetenzen wünschen wir uns und was ist dabei wie wichtig? Kurz gesagt: „Was für ein Typ?“
Der folgende Beitrag nimmt die Eigenschaften einer idealen Lehrerpersönlichkeit in den Blick. Er ist in Fragestellungen gegliedert, Fragen, die bei Berufungsverfahren oder Bewerbungsgesprächen unausgesprochen im Raum stehen. In meinen Augen sind es die wesentlichen Merkmale des Persönlichkeitsprofils eines Künstler-Pädagogen bzw. einer Künstler-Pädagogin, wie ihn oder sie sich Hochschulen und Studierende wünschen müssten.
Dass dabei von künstlerischen Fähigkeiten wenig und von methodischen Fragen nur in einer übergeordneten Weise gesprochen wird, soll nicht zu falschen Schlüssen führen. Künstlerische und methodische Kompetenz sind als conditio sine qua non vorauszusetzen. In diesem Beitrag geht es um die mensch­lichen (sozialen) Qualitäten, die hinzukommen müssen, um aus einem heraus­ragenden Instrumentalisten, Sänger oder Komponisten die Persönlichkeit eines Künstler-Pädagogen entstehen zu lassen, wie Hochschulen sie sich wünschen dürfen.

Sind Sie selbst noch auf der Suche?

„So kann man doch heutzutage keinen Bach mehr spielen!“ Solche „unumstößliche Wahrheiten“ signalisierenden Sätze kann man nicht selten hören – bei Prüfungen, Konzerten, Wettbewerben. Keine Frage: Es gibt ­Erkenntnisse aus Wissenschaft und Forschung – und aus dem umfassenden künstlerischen Arbeitsfeld, das das österreichische Universitätsgesetz der wissenschaftlichen Forschung gleichstellt und sehr anschaulich „Erschließung der Künste“ nennt –, die man nicht einfach übergehen kann, ohne sich dem Vorwurf der Ignoranz auszusetzen. Die Entwicklung der vergangenen Jahrzehnte auf dem Gebiet der historischen Aufführungspraxis ist ein prägnantes Beispiel für diesen Gedanken.
Und doch hat sich immer wieder erwiesen: Die heute „gültige“, vielleicht sogar „alleingültige“ Interpretation oder Wahrheit kann die überholte, womöglich belächelte Auffassung von morgen sein. Studieren bedeutet, sich umfassendes Wissen und breite Orientierung anzueignen. Dieser Gedanke muss auch in der Kunst gelten. Von WissenschaftlerInnen wird erwartet, dass sie die verschiedenen möglichen Sichtweisen eines Prob­lems kennen und darstellen können; KünstlerInnen profilieren sich oft mit einem Absolutheitsanspruch, grenzen andere Sichtweisen dezidiert aus und erwarten von ihren Schülern Gefolgschaft.
Wer bei einem solchen Lehrer studiert, kann sicherlich ein glänzender Instrumentalist werden – aber er wird kaum entwickeln, was Künstler eben auch auszeichnet: einen weiten Horizont, eine „open mind“.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 6/2013.