Schulte im Walde, Christoph

Unter der Lupe

Nach Abschluss eines Forschungsauftrags des ­Bundes liegen nun Ergebnisse vor, die das JeKi-Projekt aus wissenschaftlicher Sicht beleuchten

Rubrik: Bericht
erschienen in: üben & musizieren 6/2013 , Seite 38

JeKi – diesen Begriff muss man nicht mehr erklären. Aus dem anfangs lokal auf Bochum begrenzten Projekt „Jedem Kind ein Instrument“ ist sehr schnell ein sehr großes geworden und ließ sich recht bald schon über die Landesgrenzen Nordrhein-Westfalens hinaus nach Hessen, Sachsen und Hamburg exportieren. Oft begleitet von kontroversen Einschätzungen und von den MusikpädagogInnen an der Basis gleichermaßen gelobt wie kritisiert, ist „JeKi“ inzwischen zum festen Bestandteil frühkindlicher kultureller Bildung avanciert, von der jeweiligen Landespolitik großzügig unterstützt. Gleichwohl bleibt das Projekt in der Diskussion.
Längst ist den JeKi-Verantwortlichen klar, dass das grundlegende Konzept nicht statisch sein darf und sein kann, sondern als work in progress verstanden werden muss. Ganz sicher hilfreich für die JeKi-Zukunft dürften deshalb jene Erkenntnisse sein, die als Ergebnis eines vierjährigen Forschungsschwerpunkts im vergangenen Sommer in Berlin vorgestellt, im November 2013 dann im Rahmen einer Fachtagung in der Essener Folkwang-Musikschule präsentiert wurden.
Rund 70 TagungsteilnehmerInnen (überwiegend Musikschul-, aber auch Grundschullehrkräfte) informierten sich über die Befunde der über 30 WissenschaftlerInnen, unterteilt in vier bildungspolitisch relevante Aspekte: „Kooperation“, „Teilhabe und Teilnahme“, „Wirkung“ und „Unterrichtsqualität“. Das sei nicht als eine Art Evaluation zu verstehen, unterstrich Ulrike Kranefeld von der Uni Bielefeld, an der die Koordinierungsstelle des Forschungsschwerpunkts angesiedelt ist. Vielmehr gehe es um eine genaue Praxisanalyse aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln: etwa dem der SchülerInnen, deren Eltern, der beteiligten LehrerInnen – eine Analyse, die vom Bundesministerium für Bildung und Forschung in Auftrag gegeben worden ist und eine von der Stiftung JeKi und dem Land Nordrhein-Westfalen größtmöglich unabhängige Arbeit ermöglicht hat.
Was also haben die Forscher getan? Sie haben quasi „von außen“ zugeschaut bei der Arbeit an der Basis, Videos von der konkreten Unterrichtssituation gedreht, sie haben Interviews geführt, psychoakustische Versuche entwickelt und auch die Gehirnforschung mit einbezogen. Natürlich wurden während der Fachtagung in den vier Arbeitsgruppen viele Zahlen genannt, auch jede Menge Statistik referiert. Aber stets mit der großen, im Hintergrund stehenden Frage: Welche Wirkungen hat ein Mitmachen beim JeKi-Projekt auf alle Beteiligten, vor allem aber die SchülerInnen?
Nicht überraschend, aber erfreulich die Erkenntnis, dass JeKi helfen kann, das Klima in der Schulklasse zu verbessern. Dagegen kann man die These, Musik „mache schlau“, hinsichtlich kognitiver Transferleistungen in dieser Einfachheit nicht unbedingt gelten lassen. Und auch die Annahme, SchülerInnen aus „sozial schwacheren“ Schichten neigten eher dazu, dem JeKi-Projekt vorzeitig den Rücken zu kehren als SchülerInnen aus „besser gestellten“ Familien, hält dem Befund aus der Praxis nicht stand, jedenfalls wenn statistische Durchschnittswerte aus den untersuchten Hamburger JeKi-Schulen herangezogen werden. Die Heterogenität solcher Gruppen sei zudem ein Grund darüber nachzudenken, ob JeKi eine dezidiert musikalische Bildung des Individuums anstreben will – oder den Aspekt der Stärkung sozialer Kompetenz durch gemeinsames Musizieren.
Überaus vielfältig und differenziert gestaltete sich die Bestandsaufnahme, und im Auditorium machte sich immer wieder zustimmendes Kopfnicken bemerkbar, etwa beim Thema Tandem-Unterricht – erwartungsgemäß besonders eng verbunden mit den eigenen Erfahrungen der Tagungsgäste. Auch hier lieferten die Forschungsergebnisse schon im Keim Lösungsansätze für die kommende Arbeit an der Basis. Wobei der Wunsch nach stärkerer und besserer Kommunikation zwischen Musik- und GrundschullehrerInnen nur eine von mehreren Forderungen war, die JeKi-Programmleiterin Birgit Walter als Anregung zur Weiterentwicklung des JeKi-Konzepts mit nach Hause nehmen konnte.
Verschenkt wurde eine mögliche inhaltliche Auseinandersetzung während der Podiums-„Diskus­sion“ zum Abschluss der Tagung: Da gab es „nur“ Statements, darunter das von Peter Landmann, Abteilungsleiter Kultur der NRW-Landesregierung, der sich zeitraubend und entbehrlich über den Begriff „JeKi“ äußerte.
Eine gute Nachricht: Aus Berlin kommt das Signal, einen Folge-Forschungsschwerpunkt mit einer Laufzeit von 2013 bis 2015 zu finanzieren. So besteht die Chance, die Nachhaltigkeit von JeKi (weiter) zu betrachten. Aber fürs Erste liefert die aktuelle Studie genügend Stoff für Runde Tische, um klare Ziele zu definieren und Wege zu finden, diese mit den vorhandenen finanziellen und personellen Mitteln zu erreichen.

Lesen Sie weitere Beiträge in Ausgabe 6/2013.