Eröd, Iván

Blues & Fanfare

aus "Kleine Suite für 20 Finger" op. 61b, bearbeitet für Klaviertrio

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Doblinger, Wien 2013
erschienen in: üben & musizieren 6/2013 , Seite 59

Die Zeiten, als in bürgerlichen Salons noch regelmäßig vierhändig Klavier gespielt wurde, um neue Werke kennen zu lernen, sind längst vorbei. Kenntnis über das musikalische Repertoire muss sich heute niemand mehr selbst erarbeiten – dafür gibt es vom Radio bis zum iPod vielfältige Quellen. Und wenn der Nachwuchs (oder auch die Eltern) heute überhaupt noch selbst zum Instrument greifen, steht das Klavierspiel zu vier Händen ganz bestimmt nicht besonders hoch im Kurs. Vielmehr sind Grenzgänge von „E“ nach „U“, also von der ernsten zur unterhaltenden Musik gefragt.
Diese Grenzgebiete hat der ungarisch-österreichische Komponist Iván Eröd in seinem Schaffen viele Male und in unterschied­licher Tiefe erkundet. Ganz besonders reizt es ihn, moderne Inhalte in klassische Formen zu verpacken. Vor diesem Hintergrund mag es durchaus logisch erscheinen, dass der Komponist zwei Stücke aus seiner 1993 entstandenen Kleinen Suite für 20 Finger (also Klavier vierhändig) 15 Jahre später für Violine, Violoncello und Klavier eingerichtet hat. Die Neufassung der beiden Abschnitte „Blues“ und „Fanfare“ spielt jetzt mit dem reizvollen Kontrast von modernem musikalischen Inhalt und klassischer Besetzung.
Leider geht aus der im Verlag Doblinger erschienenen Ausgabe weder hervor, in welchem Zusammenhang das Ursprungswerk entstanden ist, noch, was die Bearbeitung für Klaviertrio ausgelöst hat. Ebenso fehlen weitere Hintergrundinformationen zum Werk, vorhanden ist lediglich ein halbseitiger biografischer Abriss von Iván Eröds Komponistenleben. So bleiben die beiden knappen Musikstücke von je gerade einmal rund zwei Minuten Spieldauer selbst zur Einordnung. In der Fassung für Violine, Cello und Klavier stellen sich mittlere Anforderungen an die Ausführenden, die eigentlich nicht drei-, sonder vierstimmig ans Werk gehen. Die Klavierstimme nämlich ist in den beiden Händen weitgehend linear angelegt und weist nur sehr selten einmal akkordische Elemente auf. Harmonisch liefert der Blues natürlich die obligatorischen „blue notes“, und die Fanfare imitiert durchaus die erwarteten Blechbläsersignale.
All das liest sich übersichtlich und klar – und muss bei einer Aufführung auch genau so klingen. Violine und Violoncello dürfen im Blues natürlich schon etwas Jazz-Flair verbreiten, müssen aber aufgrund der auskomponierten Strukturen mit viel Präzision (und ohne Improvisa­tion) zusammenspielen. Genau dann ergibt sich aus dem Gegensatz moderne Form und klassische Besetzung die richtige Spannung. Diese Spannung darf sich dann in der folgenden „handfesten“ Fanfare auf ganz robuste Weise entladen.
Daniel Knödler