Oberkanins, Ingrid

Keep on groovin’

Rhythmusschulung ist für alle ­InstrumentalistInnen wichtig

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 5/2013 , Seite 16

Studierende der Instrumental- und Gesangspädagogik unterschiedlicher Institute, Streicher, Pianistinnen, Bläser, Sängerinnen finden sich zu einer neuen Lehrveranstaltung ein: Rhythmusschulung. Was das wohl wird? Brauche ich das? Werde ich vielleicht vorgeführt? Die Stimmung ist eher ruhig und reserviert. Wir beginnen miteiner Körperübung zu afrikanischer Balafonmusik (das Balafon ist eine Variante desXylofons), machen weiter mit rhythmischen Call-and-response-Floskeln zu Klatsch- undSchrittmustern. Körperteile machen sich selbstständig. Es macht Spaß, selbstwenn ein “Fehler” passiert. Am Ende schaue ich in offene, lachende Gesichter.

or einigen Jahren bekam ich den Auftrag, an der Musikuniversität Wien eine neue Lehrveranstaltung mit dem Titel „Rhythmusschulung“ für alle Studierenden der Instrumentalpädagogik unabhängig vom Instrument zu leiten. Meine Freude war groß, erlebte ich doch in vielen Workshops mit ausgebildeten Musikerinnen und Musikern, Musiklehrkräften und ChorleiterInnen immer dasselbe: Viele Musiker hierzulande haben ein geringes rhythmisches Selbstbewusstsein – und das zurecht…
Lange Zeit wurde der Rhythmus den SchlagzeugerInnen „überlassen“. Instrumentallehrkräfte, die selbst nicht entsprechend geschult wurden, behandelten Rhythmus sehr untergeordnet. So ist es nicht verwunderlich, dass sich viele MusikerInnen und Musikstudierende diesbezüglich auf unsicherem Boden bewegen.
Die Vorbereitung auf diese Lehrveranstaltung setzte zwangsläufig einen intensiven Nachdenkprozess in Gang, gab es doch so gut wie keine Vorbilder, Vorgaben oder klare Richt­linien. Somit war ich gezwungen, mich noch einmal ganz fundamental mit dem Thema Rhythmus auseinanderzusetzen und mir zu überlegen, was es braucht, um einen tieferen, selbstverständlicheren Zugang zu Rhythmus zu finden. Ich musste also „das Rad neu erfinden“.

Ein körperlicher Zugang zum Rhythmus

In meiner eigenen Ausbildung als Schlagwerkerin stand naturgemäß Rhythmus zwar im Zentrum, dennoch muss ich rückblickend sagen, dass dem Verstehen und Erfahren von grundsätzlichen Rhythmusbausteinen und ihrem Zusammenspiel viel zu wenig Zeit eingeräumt wurde. Ein sinnlicher, körperlicher Zugang, der für jede Kultur, in deren Musik Rhythmus eine wichtige Rolle spielt, selbstverständlich ist, wurde nicht einmal im Ansatz vermittelt. Von Anfang an war das Starren auf ein Notenblatt verbunden mit dem Erklingen-Lassen von Musik. Eine Anleitung für sinn- und freudvolles Üben war kaum Thema. Eilig wurde das vermeintlich „Einfache“ abgehandelt, um dann so schnell wie möglich zum Komplexen zu kommen. Verinnerlichung, Versinnlichung und Verwurzelung spielten kaum eine Rolle.
Als sich schließlich auch beim Studium an der Musikuniversität daran nichts änderte und in meinem Bewusstsein die Tatsache, dass mein Instrumentarium, die Schlaginst­rumente, geradezu danach schrie, endlich im wahrsten Sinne des Wortes „gespielt“ und „begriffen“ zu werden, immer mehr Platz einnahm, ergriff ich endlich selbst die Initiative. Fast jeder Ethnomusiker konnte jederzeit auf einem Kochtopf oder Tisch spielen und grooven, ich aber studierte Schlagwerk und konnte das nicht. Ich schämte mich… Ich wollte improvisieren, ich wollte „spielen“, also begab ich mich auf die Suche nach neuen Lehrern – und fand sie. Es waren Afrikaner, Brasilianer und schließlich – für mich besonders wichtig – Kubaner.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2013.