Thielemann, Kristin

Ich komponiere meine Etüden selbst!

Auch AnfängerInnen können schon eigene Stücke schreiben

Rubrik: Praxis
erschienen in: üben & musizieren 5/2013 , Seite 32

“Es ermüden dich Etüden!” Solche oder ähnliche Sprüche sind sicherlich jedemMusikschüler und jeder Mu­sikstudentin schon einmal begegnet. Aber soll man deshalb komplett auf Etüden verzichten? Warum nicht das Angenehme mit dem Nützlichen verbinden, dachte sich Kristin Thiele­mann und ließ ihre Schülerinnen und Schüler Etüden selbst komponieren.

Derzeit erscheint ein Play-Along-Heft nach dem anderen: Pop, Rock, Gospel, Filmmusik, aber auch Adaptionen klassischer Musik sind in aller Munde – oder besser gesagt: erklingen aus allen Unterrichtszimmern der Musikschule. Aber wie steht es mit Etüden? Lange Zeit galten diese als Rüstzeug, die Technik zu verbessern;1 aber gemessen an den Neu­erscheinungen und den Klängen, die aus den mir bekannten Musikschulzimmern strömen, scheinen Etüden „out“ zu sein. Das ist schade! Denn auch wenn Etüden nicht primär Stücke für eine Aufführung sind, mit denen man beim Schülervorspiel glänzen kann (obwohl, warum nicht einmal einen Vortragsabend aus­schließlich mit Etüden gestalten?), finden sich darunter doch viele schöne musika­lische Ideen und raffinierte technische Einfälle.
Um bei meinen SchülerInnen die Lust am Etü­denspiel zu wecken, begann ich vor einigen Jahren damit, AnfängerInnen zunächst zum Improvisieren mit einigen wenigen Tönen, danach zum Aufschreiben der besten Einfälle zu motivieren, wobei ich natürlich anfangs tatkräftig helfen muss. In der Regel starte ich mit der Frage, was denn wohl ihre nächste technische Hürde sei. Erstaunlich genau können selbst die jüngeren Kinder beschreiben, was ihr nächster Lernschritt sein sollte: Von der chromatischen Tonleiter über Doppel- oder Triolenzunge bis hin zu Jazzphrasierung, Naturtonbindungen oder ganz schlicht dem Erlernen eines neuen Tons improvisiert mein Trompeternachwuchs vor sich hin, während ich im Unterricht die besten Einfälle mitschreibe und hin und wieder daheim mit dem Notensatzprogramm in ein gut lesbares Notenbild bringe.

Auf der Hüpfburg

Das folgende Beispiel zeigt die Entstehung einer Etüde für das Spiel auf dem Mundstück. Ich begann mit einer kleinen Geschichte und ein paar anregenden Fragen: „Folgende Geschichte darfst du auf deinem Mundstück spielen und natürlich zu Ende erzählen: Heute gehst du auf den Jahrmarkt. Dort gibt es Karussells, viel Musik und eine Hüpfburg. Du gehst zur Hüpfburg. Was erlebst du dort? Wie hoch kannst du springen? Wie klingt ein Looping? Was kann noch alles passieren?“

1 „Was uns die Etüden vorzüglich werth macht, ist, dass sie, ebenso charakteristisch als technisch bildend, Nahrung für Hand und Geist zugleich bieten.“ Robert Schumann: Gesammelte Schriften über Musik und Musiker, Band 1, 2. Auflage, Leipzig 1871, S. 207.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2013.

 

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