Wüstehube, Bianka

Lernst du noch oder spielst du schon?

Das Spielen im Instrumentalunterricht als Qualitätsmerkmal – Teil I

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 5/2013 , Seite 46

“Musikvermittlung” als Oberbegriff aller außerschulischen Brücken­schläge und Berührungen von Mensch und Musik ist ein fester Bestandteil unserer Musikkultur geworden. Unter der kritischen Fragestellung “Musikvermittlung wozu?” unternahm im Juni ein Symposium an der Robert Schumann Hochschule Düsseldorf eine Standortbestimmung und Neureflexion dieser Disziplin. Wir geben in zwei Teilen den Part des Symposiumsbeitrags von Bianka Wüstehube wieder, in dem sie darstellt, wie im Instrumen­talunterricht durch eine Inszenie­rung ästhetische Momente, künstlerisches Tun und technisches Lernen gleichzeitig stattfinden können.

Wenn Sie eine Trompetenlehrerin fragen, was sie unterrichtet, so antwortet sie: „Trompete“. Andere Instrumentalisten antworten mit Zither, Geige, Klavier, Klarinette etc. Aber was heißt „Trompete“? Das Handwerk Trompetenspiel oder das Spielen oder beides? Was sollen die Schülerinnen eigentlich lernen? Auf der einen Seite müssen sie das Handwerk beherrschen, auf der anderen Seite sollen sie das Spielen lernen, welches man im instrumentalpädagogischen Zusammenhang dem musikalisch-künstlerischen Tun und Erleben mit allen Sinnen gleichsetzen könnte. Daraus ergibt sich meist folgende Vorgehensweise: Der Schüler erlernt zunächst die Haltung und Spieltechnik, um dann später zu musizieren und zu spielen. Wobei es zum wirklichen Spiel oft erst in anderen Zusammenhängen wie im Ensemble, im Orchester oder beim Auftritt kommt.1 Aber kann man das Spielen und Musizieren im Instrumentalunterricht gleichzeitig mit der Technik von Beginn an überhaupt lernen oder lehren?
Am Beispiel einer Gruppenunterrichtsstunde für sechs Kinder der dritten Klasse, in der es in erster Linie um instrumentaltechnisches Lernen gehen soll, möchte ich zeigen, wie mit Hilfe einer Inszenierung das technische Lernen während des Musizierens und Spielens stattfinden kann. Die Unterrichtsstunde wird zunächst unter methodischen und inst­rumentaldidaktischen Gesichtspunkten vorgestellt, um sie anschließend in ein Theaterstück zu verwandeln, wodurch die gesamte Unterrichtseinheit zu einem durchgehenden inszenierten Spiel wird. Diese Art der Stundengestaltung ist aufgrund der enormen Vorbereitungsarbeit im Unterrichtsbetrieb einer Musikschule wöchentlich wohl kaum umzusetzen, könnte aber z. B. einmal im Semester zu besonderen Anlässen stattfinden. Um die zugrunde liegende Idee nachvollziehen und als pädagogische Haltung in den täglichen Unterrichtsbetrieb übertragen zu können, ist es jedoch sinnvoll, beispielhaft konsequent zunächst eine gesamte Einheit zu denken. Im normalen Unterrichtsalltag sind kleinere Inszenierungen innerhalb einer Instrumentalstunde denkbar.
Aufgrund der Altersgruppe (dritte Klasse) habe ich mich für ein Rollenspiel mit dem Thema „Schiffsreise“ entschieden. Für andere Zielgruppen müssten andere Ausgangspunkte bzw. Rahmen für eine Inszenierung gewählt werden: ein rhythmisches Pattern, ein Haiku, eine Tonleiter, die Partitur eines Stücks etc. Im zweiten Teil des Beitrags (im nächsten Heft) werde ich darauf eingehen, welche Vorteile eine dramaturgische Perspektive auf Unterricht für die Schüler, für das Lernen, für das Spielen und das Musizieren hat.

1 Ich habe Studierende in meinen Seminaren gefragt, wann sie ins Spielen kommen. Nur Jazzstudierende ­gaben an, solche Erlebnisse außer in Jamsessions und beim Bandspiel auch beim Üben und im Hauptfach­unterricht zu haben. Für die Studierenden mit klassischem Instrument ergaben sich Spiel-Situationen nur beim Spiel in Ensembles, Orchesterspiel und in Konzertsituationen.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 5/2013.