Aigner, Wilfried

ecompose – Komponieren im Social Web

Musik erfinden im produktiven Spannungsfeld ­zwischen ­traditioneller Notation und den Möglichkeiten des Internets

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 4/2013 , Seite 10

Wenn es darum geht, Kinder und Jugendliche zum eigenständigen Erfinden von Musik zu animieren, denkt man vermutlich nicht zuallererst ans Notenschreiben. Wie das scheinbar altmodische Werkzeug Notenschrift in Verbindung mit internetbasierter Kommunikationstechnologie zur Entfaltung kreativer Potenziale beitragen kann, wurde im Modellprojekt “ecompose Austria” erkundet.

„woche der aufführung der stücke. motiva­tion für die schüler und für mich. finde ich sehr wichtig, dass ihre stücke aufgeführt werden und somit die verbindung von online und physischem produkt entsteht.“ (Notiz im Projekttagebuch eines Betreuers des Projekts „ecompose Austria“, Juni 2011)

Computer, mobile digitale Endgeräte und die dazugehörigen Anwendungen sind für Kinder und Jugendliche längst Teil der Alltagskultur, geprägt durch schnelle Adaptierung neuer Nutzungsformen, durch ein hohes Maß an informellem Lernen außerhalb von Schule sowie durch einen durchaus selbsttätig-kreativen Umgang mit diesen Medien. Die Beschäftigung des institutionellen, (musik)schulischen Unterrichts mit diesem Thema hinkt den gesellschaftlichen Entwicklungen seit je hinterher. In der musikpädagogischen Praxis ist ein selbstverständlicher Umgang mit digitalen Medien nach wie vor eher die Sache einer Minderheit von SpezialistInnen bzw. auf einzelne Fachbereiche wie z. B. den Popular­musik-Sektor fokussiert. In die „professionelle Alltagskultur“ von MusiklehrerInnen haben digitale Medien noch wenig Eingang gefunden.
Die rasante technologische Entwicklung mag einer der Gründe sein, wieso so manche Lehrkraft angesichts des unüberschaubaren Angebots an digitalen Tools eher Überforderung als Lust auf Neues empfindet. Darüber hinaus sind aus einem spezifisch musikpädagogischen Blickwinkel heraus aber ganz andere Fragestellungen von Bedeutung: Inwieweit kann die vielversprechende Welt der digitalen Möglichkeiten musikalische Lernprozesse tatsächlich fördern? Werden musikalische Basiskompetenzen – also beispielsweise traditionelles musikalisches Handwerkszeug wie der Umgang mit Notenschrift – vernachlässigt, wenn digitale Tools ins Spiel kommen, mit denen oft in Windeseile erstaunliche klang­liche Ergebnisse mit bereits vorgefertigtem Material erzielbar sind? Sind Werte wie das „Musikantische“ oder das sinnliche Erleben von Musik mit dem Einsatz technischer Geräte überhaupt vereinbar?

Komponieren mit web-basierten Medien

Eine nähere Erkundung solcher Fragen rund um technologieunterstütztes musikalisches Lernen hat sich das Projekt „ecompose Aust­ria“1 zum Ziel gesetzt. Im Rahmen dieses Projekts arbeiteten über hundert Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 10 und 18 Jahren aus fünf österreichischen Schulklassen an eigenen Kompositionen, unterstützt von einem Team von Musiklehrern, Komponisten2 und Musikstudierenden. Der vorliegende Artikel konzentriert sich besonders auf jene Erfahrungen, die SchülerInnen mit instrumentalen bzw. vokalen Vorkenntnissen betreffen und die somit für musikschulische Arbeitsformen ebenso relevant sind wie im Kontext des Regelschulwesens.

1 www.ecompose.at – Das gesamte Projekt bestand aus zwei halbjährigen Phasen in den Jahren 2011 und 2012.
2 Da im Projekt leider ausschließlich männliche Musiklehrer und Komponisten beteiligt waren, wird bei deren Bezeichnung nur die männliche Form verwendet.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 4/2013.