Bach, Johann Christian

Vier Sonaten für Cembalo/Pianoforte und Viola da Gamba

Sonaten I und II/III und IV

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Güntersberg, Heidelberg 2012
erschienen in: üben & musizieren 4/2013 , Seite 60

Nicht alle kennen die Edition Güntersberg, mit Sicherheit aber jeder Gambenspieler, verfügt der Verlag doch über das umfangreichste Spezialprogramm an Notenmaterial für dieses histo­rische Inst­rument. Die jüngste verdienstvolle Repertoirebereicherung umfasst vier Sonaten des jüngsten Bach-Sohns Johann Christian (des „Mailänder“ oder „Londoner“ Bachs, nach den beiden wichtigsten Schaffenszentren seines Lebens), den auch Mozart besonders verehrte.
Bach übersiedelte 1762 nach London, wo er gemeinsam mit seinem Freund Carl Friedrich Abel die bald als „Bach-Abel-Konzerte“ bekannten Aufführungen ins Leben rief. Abel spielte die Gambe, und so lag es nahe, dass Bach für gemeinsame Auftritte Musik komponierte. Vier solcher Sonaten sind nun auf etwas abenteuerliche Weise aus dem Dunkel der Geschichte wieder aufgetaucht. Der Heraus­geber und Gambist Thomas Fritzsch schildert im Vorwort der von ihm betreuten Notenausgabe die näheren Umstände sehr anschaulich, was sich durchaus wie ein Musik-Krimi liest.
Bei dieser Musik handelt es sich um Beispiele des seinerzeit beliebten zweisätzigen Sonaten­typus: Eigentliches Soloinstrument ist das Tasteninstrument, die Gambe assistiert ihm mehr oder weniger untergeordnet, parallel in Terzen oder Sexten begleitend, vereinzelt solistisch hervortretend und gelegentlich auch die linke „Clavier“-Hand fast generalbassmäßig unterstützend. Beim Part des Tasteninstruments handelt es sich bei zwei der Sonaten vermutlich um die frühesten Annäherungen Bachs an das neue Hammerklavier: Er präsentierte ein solches 1768 in einem öffentlichen Konzert dem Lon­doner Publikum, assistiert von Abel mit der Gambe. Deshalb steht zu vermuten, dass die vorliegenden vier Sonaten auch diesem Zeitraum entstammen.
Je zwei der Sonaten sind ausdrücklich für Pianoforte, zwei für Cembalo geschrieben. Der stilistische Unterschied zwischen den beiden Zweiergruppen ist gering: Er schlägt sich nieder in den sparsamen dynamischen Vorzeichen in den Sonaten für Hammerklavier, doch klingen auch die beiden Cembalosonaten auf dem Pianoforte gut. Alle vier zeichnen sich durch eine ebenso verhaltene wie effektvolle Virtuosität aus und bestechen durch die ausgewogene klang­liche Balance zwischen den beiden Instrumenten, trotz ihrer verschiedenen Gewichtung. Die formale Struktur ist in allen Sonaten modellhaft nachvollziehbar: Einem sonatensatzähnlichen längeren ersten Satz folgt immer jeweils ein rondomäßiger Finalsatz.
Insgesamt bedeuten diese vier Sonaten aus jener so spannenden Epoche des stilistischen Aufbruchs in Europa eine echte Repertoireerweiterung, nicht nur für Spezialisten der Alten Musik, sondern durchaus auch denkbar auf dem behutsam eingesetzten modernen Klavier mit Assistenz eines Cellos (wenn dessen Spieler sich denn bereit fände, sich ein- und unterzuordnen).
Arnold Werner-Jensen