Knecht, Johannes

Trotzdem

Neue Lieder für 1-2-stimmigen Kinderchor und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Carus, Stuttgart 2012
erschienen in: üben & musizieren 3/2013 , Seite 64

Der Stuttgarter Chorleiter und Hochschulprofessor Johannes Knecht hat auch Kinderopern dirigiert; diese Erfahrungen kann er für seine Kompositionen für Kinderchor nutzen. Er versteht es, auch in der überwiegenden Einstimmigkeit recht wirkungsvoll zu setzen, ohne die Kinderstimmen zu unterfordern. Obwohl im Vorwort beansprucht, bilden die vier Lieder dieses Hefts keinen Zyklus, weder kompositorisch noch thematisch. Zugrunde liegen Vorlagen vier verschiedener Autoren, die der „Welt der Erwachsenen aus Kindersicht […] einen Spiegel“ vorhalten sollen. Mit Ausnahme des ersten sind diese zwar in der Ich-Form gehalten, doch geben sie eher die Gedankenwelt von Erwachsenen wieder.
Das Lied Trotzdem unterstellt vermeintlich vorsätzliche Verweigerungshaltungen von Kindern beim Aufstehen, Essen, Betragen. Die Freude am Nägelkauen oder Nasebohren stellt quasi ­eine Umkehrung des Struwwelpeters dar, jedoch sind die elterlichen Verbote antiquiert, sodass die Ironie nicht recht zünden will. Musikalisch ist dies umgesetzt in einem Scherzando in angedeutet russischem Tonfall. Schnelle Wechsel zwischen Singen und Sprechen, zwischen Tutti und Soli erfordern Aufmerksamkeit bei Ausübenden und Zuhörenden.
Das Computer-Lied ist ein Schlaf­lied. Der Klaviersatz und die Harmonik erinnern an den frühen Debussy. Der Text ist nicht up to date, der PC ist vielfach ersetzt, der Drucker die erste Hardware, die nicht funktioniert, schnelle Informationsbeschaffung ersetzt tatsächlich oftmals eigenes Denken – all dies wird in umgekehrtem Sinne besungen.
Bei Zufall geht es um die Frage der Identität: Was wäre, wenn ich nicht ich wäre? Eine zweite Gruppe (bzw. ein zweiter Solist) muss originellerweise pfeifen, zuweilen markiert das Klavier ­eine klangschöne kontrapunktische Gegenstimme.
Im letzten Lied Ich träume mir ein Land werden Wünsche und Utopien konkret, neben einer heilen Natur und farbenfrohen Bildern auch erhoffte Nachbarn charakterisiert – als freundlich, lustig und überraschenderweise auch langsam, volksliedhaft gestaltet in größeren Bögen. Bei einem Strophenlied wie diesem verliert eine textbezogene Figur („genauso wild“) in den weiteren Strophen ihre Sinnhaftigkeit.
Das Notenbild ist gut lesbar, zuweilen fehlen Legato-Bögen oder Vorzeichen zwecks Erinnerung. Der Klavierpart ist mittelschwer, dabei klanglich reizvoll, Pedalisierungen sind nicht empfohlen, sie müssen selbst vorgenommen werden. Die Linienführung für den Chor ist meist, doch nicht immer gesanglich, das Verständnis einiger Sprünge oder unerwarteter Wendungen ergibt sich erst aus der Harmonik. Diese Chor-Kinderlieder haben ihre Wir­kung und bieten sich an für eine anspruchsvolle Probenarbeit. Die Texte jedoch sind nicht durchgängig kindgemäß und auch nicht frei von Moralisierendem.
Christian Kuntze-Krakau