Schultz-Greiner, Regine

Nachahmung oder Variation?

Gedanken zu Shinichi Suzukis und Paul Rollands ­Unterrichtskonzepten

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2013 , Seite 46

Was hält die nun schon 70 Jahre alte Suzuki-Methode am Leben? Muss sie sich ändern, um weiter erfolgreich zu bleiben? Und wie lässt sie sich vergleichen mit dem in Deutschland weit häufiger genutzten Konzept für Streichergruppenunterricht von Paul Rolland?

Von Tokyo nach Matsumoto fährt man drei Stunden mit dem Zug. Die kleine Stadt am Fuß der japanischen Alpen zählt zu ihren Sehenswürdigkeiten die Burg, das prachtvolle Bergpanorama und das Suzuki-Talent-Institut. Hier treffe ich Koji Toyoda, der nach seinem Unterricht bei Shinichi Suzuki in Matsumoto und dem Studium in Paris Erster Konzertmeister des Radio-Symphonie-Orchesters Berlin wurde und heute das Suzuki-Institut als Künstlerischer Direktor leitet.
Schon fast siebzig Jahre datieren die ersten Berichte über Suzukis Unterricht in Matsumo­to zurück und der USA-Besuch seiner Schüler 1964 verursachte einen heftigen Schock in der dortigen pädagogischen Szene. Wie war es möglich, dass so viele Kinder derart makellos und gleichartig, dabei so routiniert spielten? Fasziniert begann man damals in der amerikanischen Lehrerschaft und ihrem Verband, der American String ­Teachers Association (ASTA), sich mit Suzukis Konzept zu befassen.

Lernen durch Kopieren

Bei meinem Besuch in Matsumoto konnte ich eine Unterrichtsstunde von Mikiko Yuki besuchen, in der sie nacheinander einen dreijährigen, einen sechs- und einen achtjährigen Jungen unterrichtete. Ich wurde Zeugin einer „klassischen“ Suzuki-Unterrichtssituation: Die Mutter der drei war die ganze Zeit im Raum, machte sich Notizen und half vor allem dem Kleinsten über die lange Wartezeit hinweg. Aber, frage ich Koji Toyoda, lässt sich diese Elternmitarbeit – ein unbedingtes Muss in Suzukis Unterricht – unverändert weiterführen oder sind Veränderungen in der japanischen Gesellschaft spürbar, die eine Anpassung des Instrumentalunterrichts erfordern?
„Viele Mütter“, so Toyoda, „sind heute auch in Japan berufstätig, wodurch sie über viel weniger Zeit verfügen als vor vierzig oder fünfzig Jahren, um sich um ihre Kinder zu kümmern. Jedoch geben sich die meisten Suzuki-Mütter Mühe, die nötige Zeit irgendwie zu finden. Die Mütter sind Lehrerin oder Cont­rollerin im gesamten Prozess der Lern­arbeit der Kinder. Die Lehrer geben ihnen nur Hinweise, damit sie die Sache richtig verstehen und wissen, wie sie üben sollen. Kindern muss wenigstens einer ständig beistehen, nicht wahr? In meiner Zeit in Japan waren es fast nie Mütter, sondern Väter!“

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2013.