Dezaire, Nico

Doppelgriffe auf der Violine

mit 2 CDs

Rubrik: Noten
Verlag/Label: de haske, Heerenveen 2012
erschienen in: üben & musizieren 2/2013 , Seite 59

Der niederländische Violinist und Violinpädagoge widmet sich in seinem kürzlich erschienenen Werk einem alten Thema: dem Doppelgriffspiel. Dabei geht er in Sevcík’scher Manier überaus systematisch vor, mit dem Unterschied, dass er sich nicht darauf beschränkt, sämtliche denkbaren Doppelgriffe und doppelgriffigen Spielsequenzen in akkurater Vollständigkeit zu Papier zu bringen. Während Generationen von GeigenschülerInnen an den stupiden Formeln verzweifelten, bietet Dezaire in nicht minderer Systematik kleine pfiffige Spielstücke aus eigener Komposi­tionswerkstatt, die swingen und teilweise dem Fiddle- und Folkgenre zuzurechnen sind: Doppelgriffspiel kann eben auch Spaß machen.
Zu Beginn bietet der Verfasser eine kleine Einführung in die akustische und harmonische Gliederung von Doppelklängen. Unerfindlich bleibt, warum die None als additives Intervall aus Oktave und Sekunde definiert wird, die nächstgrößeren Intervalle mit ihrer durchaus eigenen Klangcharakteristik jedoch gänzlich unterschlagen werden. Nicht ganz gelungen erscheinen auch die Beschreibungen der Klang­eigenschaften von Intervallen mit ästhetisch bewertenden Begriffen wie „schön“, „voll“, „leicht“ oder „offen“, wie wohl entsprechende treffende Beschreibungen ein schwieriges Unterfangen bleiben. Die Kategorisierung der Intervalle in Bezug zu den erklingenden Differenztönen zu setzen, ist eine recht unvollständige Erklärung, wie auch die Behauptung, Tartini habe die Differenztöne erstmals beschrieben, nicht richtig ist.
Sehr begrüßenswert ist es trotzdem, SchülerInnen eine schrift­liche, verständliche und sogar zum Selbstlernen geeignete Erläuterung an die Hand zu geben, auch wenn jede Lehrkraft in der Lage sein sollte, dies mit der gleichen Systematik zu tun. Verzichtbar erscheint die Verwendung von Farben für die verschiedenen Doppelklangkategorien.
Bei der Auswahl der Übungen und Stücke gliedert Dezaire unter rein didaktischen Gesichtspunkten: Er beginnt mit den spieltechnisch einfacheren Klängen mit leeren Saiten, die leere Saite mit Griff auf der oberen Saite, dann mit Griff auf der unteren Saite bis zu den „echten Doppelgriffen“. Über diese spieltechnischen Kriterien hinaus gliedert er nach den Doppelklangkategorien. Zu jeder Übung gibt es ein kleines Spielstück, zu welchem die beigefügte CD die klangliche Orientierung sowie ein Play along bietet. Rätselhaft bleibt, warum die Einzelsaiten beim Stimmen vorgespielt werden, anstatt nach dem Stimmen des Kammertons gleich die Quinten, eventuell mit Kontrolle durch den eingespielten Klang, zu prüfen. Die Duos sind auf einer zweiten CD als PDF beigefügt.
Fazit: Nico Dezaire bietet ein praktisches Übungsbuch zum Thema an, das nicht nur trockenen Stoff enthält, sondern junge SpielerInnen mit „jungen Klängen“ gleich zum Anwenden in musikantischer Praxis animiert.
Uwe Gäb