Zeitgenössische Tänze

für Violine solo

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Friedrich Hofmeister, Leipzig 2011
erschienen in: üben & musizieren 4/2012 , Seite 63

Eine Neuerscheinung im Verlag Hofmeister eröffnet jungen GeigerInnen einen Weg zur Musik unserer Zeit. Sechs kleine Kompositionen für Violine solo mit sehr unterschiedlicher Konzep­tion verlangen bereits eine fortgeschrittene Spieltechnik und rhythmische Sicherheit. Altug Ünlü, Darren Fellows, Patrick Hagen, C. René Hirschfeld, Helmut Burkhardt und Katerina Ruzi­ckova, international erfolgreiche KomponistInnen, verwenden die Idee des Tanzes, um junge MusikerInnen mit kleinen Miniatursätzen, teilweise im Charakter einer Etüde, in andere Klangwelten zu entführen.
Das Thema Tanz beruht auf einer Vorgabe des Verlags. Spannend sind die Lösungsansätze, die die ethnisch teils sehr unterschiedlich geprägten Komponisten gefunden haben. Danse bizarre von Altug Ünlü verwendet das Mittel der Skordatur, um in seinem Stück titelgerechte Klangwirkungen zu erzeugen. Die Vierteltonskordatur der D-Saite ermöglicht im Verbund mit Flageolettklängen, dem ständigen Wechsel von arco und pizzicato links und rechts sowie sul ponticello eigentümliche Klangeffekte. Nicht einfach für unerfahrene SpielerInnen, im ruhigen Tempo das überwiegend triolische Feeling bei fehlendem, das Metrum sicherndem Partner zu erhalten. So wird die Komposition ihrem Titel gänzlich gerecht.
Ungleich vertrauter wirkt das klangliche Erscheinungsbild des Tango El Diabolo von Darren Fellows. Von Beginn an ist durch das Pizzicato-Muster der Tanz sofort identifizierbar. Durch die Kombination von Pizzicato-Passagen und Verwendung des Geigenkorpus als Percussion-Inst­rument wird die Illusion eines Ensembles erzeugt, das sich im con fuoco-Schlussteil zu fast vivaldischer Spielfreude steigert.
Die Tanz-Variationen von C. René Hirschfeld sind technisch verhältnismäßig leicht zu bewältigen und verwenden die Kombination von pizzicato – wieder rechte und linke Hand – und arco, auch als col legno, zu einer Verbindung von wiegender Kantilene und schwebenden Klängen. Patrick Hagens Tonango bietet dazu einen schwingenden Kontrast in „flottem“ Tempo. Die Vorstellung, in einer Art Flow in ein Land des Tanzes und der Bewegung zu gelangen, so die Erläuterung, erscheint hier am ehesten erfüllt.
Deutlich wahrnehmbar von mährischer Volksmusik geprägt ist das Mährische Tanzfest von Katerina Ruzickova, welches bis auf Doppelklangglissandi mit eher traditionellen Spieltechniken den jungen SolistInnen eine rhythmisch akzentuierte Sicherheit und tonlichen sowie agogischen Gestaltungswillen abverlangt. Den Abschluss der kleinen Sammlung macht die durch die Musik Astor Piazzollas beeinflusste gelungene Milonga para un/a violinista triste.
Die kleine Kollektion eignet sich vorzüglich, junge ViolinistInnen mit Spielfreude an zeitgenössische Kompositionen und ungewohnte Spieltechniken, welche immer eine intensive Auseinandersetzung verlangen, heranzuführen.
Uwe Gäb