Regenspurger, Katja / Egbert J. Seidel / Alexander Fischer / Petra Günther

Kurzer Fuß und langer Atem

Methoden und Konzepte zur Prophylaxe und Behandlung musikerspezifischer Beschwerden

Rubrik: Aufsatz
erschienen in: üben & musizieren 2/2011 , Seite 06

Die Vielzahl an Belastungsfaktoren und Beschwerdekomplexen bei Musi­kerInnen lässt Rückschlüsse auf die Vielfalt der möglichen therapeu­tischen Optionen zu. Die Angebote sind weitreichend und es fällt mitunter schwer, die geeigneten Behandlungsmethoden herauszufiltern. Wir stellen einige der Konzepte, die eine weitere Verbreitung gefunden haben, vor und unterziehen sie einer kritischen Beurteilung.

Manuelle Medizin

Die Manuelle Medizin oder auch Chirotherapie fußt auf wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen der funktionellen Anatomie, Biomechanik und Physiologie und versteht sich als Lehre von Diagnostik und Therapie der Funktionskrankheiten des Bewegungssys­tems. Mittels einer diffizilen Diagnostik werden funktionelle Störungen der Wirbelsäule, Gelenke, Muskulatur, Sehnen und bindegewebigen Strukturen erfasst und von Strukturveränderungen unterschieden. Ziel der Diag­nostik ist insbesondere die Beurteilung der Gelenkfunktion, die eine Unterscheidung zwi­schen verminderter Beweglichkeit (Hypomobilität) und vermehrter Beweglichkeit (Hypermobilität) erlaubt. Bei einer reversiblen gelen­kigen Hypomobilität, häufig auch als Blockierung bezeichnet, besteht die Indika­tion zur ge­zielten manualtherapeutischen Behandlung.
Hierfür stehen verschiedene Behandlungstechniken wie die sanfte Gelenkmobilisation, die nur ärztlicherseits durchzuführende Manipulation mit kurzem schnellen Impuls in die gestörte Gelenkrichtung oder Techniken zur Muskelentspannung zur Verfügung. Die Manuelle Medizin erweiterte in den vergangenen Jahren ihr Repertoire um so genannte myofasciale und viscerale Techniken, mit denen Funktionsstörungen im Bindegewebe erkannt und behandelt werden können.
Die bisherigen Kenntnisse zur Diagnostik und Therapie in der Manuellen Medizin basieren zu einem großen Teil auf Erfahrung. Derzeit laufen jedoch vielfältige Bemühungen, die Studienlage zu Untersuchungstechniken und Behandlungsergebnissen zu verbessern. Den­noch ist die Manuelle Medizin bereits als essenzieller Bestandteil des Fachgebiets der Physikalischen und Rehabilitativen Medizin etabliert und findet zunehmend Beachtung vor allem in der Orthopädie, der Neurologie und der Inneren Medizin.1

Sporttherapie und Medizinische Trainingstherapie (MTT)

Sporttherapie ist die Anwendung von Sport in der Behandlung von Krankheiten und funk­tionellen Beeinträchtigungen auf der Basis der wissenschaftlichen Bewegungs- und Trainingslehre. Ziel ist es, gestörte körperliche, psychische oder soziale Funktionen zu normalisieren oder zu kompensieren. Außerdem sollen gesundheitsorientierte Verhaltensweisen gefördert und weiteren Schädigungen vorgebeugt werden.
Insbesondere Defizite in den konditionellen Fähigkeitsbereichen bei vielen MusikerInnen sind diesen Therapieverfahren und Konzepten sehr gut in Prävention, Therapie und Rehabilitation zugänglich. Die Verordnung von Sporttherapie für MusikerInnen sollte durch einen entsprechend geschulten Mediziner erfolgen, der nach einer umfassenden leis­tungsphysiologischen Diagnostik die konkreten Ziele und geeigneten Therapiemittel mit ihrer entsprechenden Dosierung im Therapie­plan festlegt. Trainiert werden Ausdauer, Kraft, Beweglichkeit, Koordination und Schnelligkeit. Ziel ist es, Alterungs- und Inaktivierungsprozessen des Menschen wie zum Beispiel dem Rückgang der Leistungsfähigkeit des Herz-Kreislauf-Systems, der Reduktion von Muskelmasse, der Verminderung des Zellstoffwechsels und der Durchblutung der Muskulatur, einer Verschlechterung der Fließ­eigenschaften des Blutes oder einer Knochen­dichtereduktion entgegenzuwirken.2
In zahlreichen wissenschaftlichen Publikationen konnten diese positiven Wirkungen der Sporttherapie nachgewiesen und sporttherapeutische Konzepte zur Therapie von chronischen Krankheiten evaluiert werden. Insbesondere im muskuloskeletalen Bereich spielen die Konzepte der Sporttherapie und hier besonders das Konzept der Medizinischen Trainingstherapie eine herausragende Rolle in der Therapie und Rehabilitation.3

1 vgl. Christoph Gutenbrunner (Hg.): Krankengymnas­tische Methoden und Konzepte. Therapieprinzipien und -techniken systematisch dargestellt, Berlin 2004.
2 vgl. Diana Hartmann/Petra Günther/Jürgen Hartmann/ Alexander Fischer/Egbert J. Seidel/Uwe Reinhardt: „Inhaltliche Aspekte einer präventiven Rückenschule für Instrumentalisten“, in: Die Säule 2/2008, S. 66-70; ­Susanne Klein-Vogelbach/Albrecht Lahme/Irene Spirgi-Gantert: Musikinstrument und Körperhaltung. Eine
Herausforderung für Musiker, Musikpädagogen, Therapeuten und Ärzte, Berlin/Heidelberg/New York 2000; Jochen Scheibe: Sport als Therapie, Berlin 1994.
3 vgl. Egbert J. Seidel/Alexander Fischer: „Rückenschmerz bei Berufsmusikern. Grundlagen der Diagnos­tik und Stellenwert der berufsspezifischen Prävention“, in: Die Säule 2/2008, S. 61-65.

Lesen Sie weiter in Ausgabe 2/2011.